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Hasenfuss oder Löwenherz?

Heute Morgen gibt es erstmal kein Frühstück sondern einen Schock: Eines unserer jungen Kaninchen liegt tot im Käfig.

Ich gebe zu, ich habe soeben mehr als nur eine Träne vergossen.

Was? Ich? – Die ich haustierlos aufgewachsen bin und Tierhaltung immer als etwas eher Überflüssiges empfunden habe?

Ja, ich weine, weil mir einerseits das arme flauschige Fellknäuel so furchtbar leidtut. Andererseits, weil ich es meiner sechsjährigen Tochter – einer erklärten Tiernärrin –  noch beibringen muss. Auf Vorschuss leide ich schon mit, weil ich weiss, wie schwer es sie treffen wird. Wenigstens bin ich dankbar, dass ich das Häschen gefunden habe und nicht sie.

Und natürlich zermartere ich mir das Hirn, was ich falsch gemacht habe und mache mir Vorwürfe.

Äusserlich hat das Tierchen keine Verletzungen vorzuweisen und auch sonst trifft keines von möglichen Ursachen zu. Die Diskussion mit dem Züchter ergibt, dass ein Kaninchen eine Herzattacke erleiden kann, wenn es wegen einem anderen Tier erschreckt. Einem Raubtier zum Beispiel.

Und da fällt mir ein, dass ich gestern Nacht mit Herzrasen erwacht bin und gedacht habe, etwas hätte mich geweckt, das ich aber nicht zuordnen konnte. Der stürmische Herbstwind tobt indes schon seit gestern ums Haus und verursacht allerhand Geräusche an sämtlichen Gegenständen, die nicht niet- und nagelfest sind. Deshalb bin ich wieder schlafen gegangen.

Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass ein Fuchs aus dem nahen Wald eine makabre Form vom Schweizer Kinderreim: „Lueget ned ume, de Fuchs goht ume …“ gespielt hat. Und dass das Kaninchen an seiner Angst verendet ist. Das arme Wesen! Ich muss wieder weinen.

Und da fällt mir ein, dass wir Menschen uns oft wie ein Häschen in Todesangst benehmen.

Der Fuchs, in diesem Fall ein Sinnbild für die Angst, schleicht in diesen Tagen viel listiger und gemeiner um unsere Hütten als auch schon.

Vielleicht sitzen wir in der Ecke und zittern, weil wir denken: „Der kriegt uns! Jetzt sind wir dran!“

Das Kaninchen wusste nicht, dass der Fuchs nicht in den Stall rein kann, weil wir ihn gewissenhaft fuchssicher eingerichtet haben.

Auch für uns Menschen mag eine Bedrohung real sein, aber unsere Luxus – Käfige sind in der Regel fuchssicher.

Trotzdem hüpfen wir herum und quieken und ängstigen uns zu Tode. Äusserlich sieht man es uns vielleicht nicht an, aber innerlich sind wir bereits vor Angst erstarrt.

Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass die Angst in diesem Jahr Hochkonjunktur hat. Aufgepeitscht von Meinungen und Tatsachen, Fakten und Fiktion.

Und so dreht der „Angst-Fuchs“ munter noch eine Runde um unseren Stall. Jagt uns hin und her und rauf und runter, drängt uns in die Ecke, raubt uns die Lebensfreude.

Wie gerne wäre ich gestern Nacht rechtzeitig aufgestanden, hätte den Fuchs vertrieben und dem Häschen zugerufen: „Der kann dir nichts!“

Aber ich habe geschlafen.

Gott schläft nicht! Er weiss das der Angst-Fuchs um deinen Stall herumschleicht, und er ruft dir zu: „Der kann dir nichts!“

In der Bibel steht, dass Gott uns kein Hasenherz gegeben hat, sondern ein Löwenherz. (Zum Zweck der Geschichte aus 2.Timotheus 1,7 angepasst.)

Und was tut ein Löwe, wenn der Fuchs, um seinen Stall schleicht? Er bleckt die Zähne und brüllt den Fuchs an. Und der muss abhauen.

Lasst uns also keine Hasenfüsse sein, sondern Löwinnen und Löwen, die der Angst ins Gesicht brüllen. Sie wird fliehen müssen!

Photo by Keyur Nandaniya on Unsplash

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Der Tanz der Buchstaben

Vor meinen inneren Augen sehe ich sie immer noch vor mir: Die Magnetplatte mit den Buchstaben, mit denen ich schon als kleines Kind spielte. Das P ist grün, das D auch. Aber O und U sind gelb, und mein Lieblingsbuchstabe Y ein grelles Rot. Diese Farben haben die Lettern bis heute in meinen Kopf.

Aber Buchstaben sind nicht nur farbige Zeichen. Buchstaben sind Klänge, sind Sprache. Das Tor zu einer Zauberwelt, einem Schlaraffenland.

Buchstaben sind Lautmalerei. So ist Haha eine kunterbunte Explosion von Freude, hihi deren kleine schüchterne Schwester und höhö der grosse schadenfreudige Bruder. Iiiih ist Ekel pur. – Siehst du den grünen Rotz?
Pfu-iii ist die kalte Hundeschnauze und Ng-ng-ng kochtopfrote Wut.

Buchstaben tanzen wie Schmetterlinge über dem Lavendel – Garten meiner Seele. Tag und Nacht feiern sie vor meinen Augen ein Fest. Sie sind meine imaginären Freunde, die mir zu Zeiten und Unzeiten zurufen: „Komm und spiel mit uns!“ Sie locken mich, verführen mich dazu, sie zu umfassen und zu tausenden neuen Kombinationen zusammenzufügen.

Buchstaben setzen Grenzen. Das sanfte Knallen des P’s sagt: „Stopp! Komm nicht näher!“ „Hallo“ hingegen ist eine sanfte und einladende Umarmung.

Andere joggen oder stricken zur Entspannung. Ich lese oder schreibe.

Buchstaben beruhigen mich. Immer. Wenn das Chaos im Hirn ein schwarzes Knäuel zusammengeknautschter, nasser, zerraufter Schafwolle ist, dröseln Buchstaben und Wörter das Durcheinander zu einzelnen zu bewältigenden Fäden auf. Ist der Alltag unerträglich, streicheln die Wörter mein Hirn rufen ihm zu: „Das Leben ist doch schön.“

Musik kann laut und störend sein, menschliche Stimmen schrill und kratzig. Aber Buchstaben sind immer angemessen.

Buchstaben rufen Bilder und Stimmungen hervor, wie Abendrot und Sturmwolke.

Tulpe, Banane, Blatt und Regentropfen sind klaren Farben und Formen zugeordnet.

Es gibt kurze Wörter, die aber im Kern kompliziert sind wie ich und du. Es gibt kleine Wörter die grosse Auswirkungen haben so wie Ja und Nein.

Viele beschweren sich über die Gross- und Kleinschreibung im Deutschen. Dabei empfinde ich die Grossbuchstaben als besonders ästhetisch. Sie beschreiben konkrete Dinge wie Ähre oder abstrakte Begriffe wie Geborgenheit. Man braucht sie für die Namen von geliebten Menschen oder von exotischen Orten, die man noch bereisen möchte.

Mit Buchstaben kann man sogar rechnen. Aber wer will das schon, wenn man immer noch neue Wörter damit formen kann, die man bisher nicht gekannt hat, wie „Petrichor“ und „Koryphäe“?

Andere Menschen denken in Bildern oder Zahlen. Ich denke in Buchstaben.

Wenn ich mir langweilige Dinge anhören muss, wie zum Beispiel eine Predigt mit einem Haufen mansplaining drin oder einen Vortrag über steuerliche Vorteile der Innerschweizer Kantone, zeichne ich das Alphabet auf und schon eröffnen sich mir fantasievolle Welten, in die niemand sonst Zutritt hat.

Als ich mal jemandem gestand, dass ich zu Hause heimlich den Duden lese und nebenher noch den „Oxford Dictionary of English“, starrte die Person mich entgeistert an, als hätte ich einen an der Waffel. Und ich verteidigte mich stotternd: „Aber … Wörter … weisst du?“ Ich rümpfe ja schliesslich auch nicht die Nase über Menschen, die den Wirtschaftsteil der Zeitung lesen oder – heaven forbid! – ein Modemagazin.

Und wenn ich dann denke, die deutsche Sprache ist doch endlich, da geht nichts mehr, lassen sich die Buchstaben noch in tausenden anderen Sprachen zu Kombinationen zusammenfügen, die das Herz so noch nicht kannte und immer wieder von Neuem erfreuen.

Was für schöne Worte sind zum Beispiel pyykkipoika (Wäscheklammer auf Finnisch), oder imperméable (Regenschutz auf Französisch; wörtlich wasserundurchlässig) oder amore (Liebe auf Italienisch). Ui ist die Zwiebel auf Niederländisch, maji heisst Wasser auf Suaheli oder dann doughnut (wörtlich: Teignuss) das köstliche, zuckersüsse Gebäck aus Amerika.

Da möchte ich gleich einen Spaten schultern und auf den Acker der Weltsprachen ziehen, um dort ein bisschen zu buddeln. Ich kann mir kaum ausmalen, was für unentdeckte Schätze in den Sprachen schlummern, die sich mit lateinischen Zeichen nicht ausdrücken lassen.

Photo by Anders Nord on Unsplash

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Die Lage ist ernst

Den Moment werde ich nie mehr vergessen: Die Bundespräsidentin der Schweiz* blickt gefasst und eindringlich in die Kamera und verkündet mit schwerem Tonfall: „Meine Damen und Herren, die Lage ist ernst!“ Im gleichen Atemzug gibt sie die Schliessung aller Schulen bekannt. Etwas, das ich Stunden zuvor für absolut unmöglich gehalten habe, ist Tatsache.

Gemeinsam mit Tausenden weiteren Schweizerinnen und Schweizern begriff ich in diesen Minuten vor der Glotze: „Ja, das Virus, mitsamt der Angst im Schlepptau, ist jetzt auch bei uns angekommen.“ Was ich zuvor innerlich noch als „chinesische Seuche“ belächelt hatte – „Da haben sie ja ständig was.“ – wurde zum grössten Eingriff in die Zivilgesellschaft seit dem Zweiten Weltkrieg. Keiner wusste so genau: „Wie lange? Wo? Wann? Wer? Wie schlimm? Und was ist jetzt mit diesen Masken?“

Ich versuchte mich ungläubig mit der Tatsache anzufreunden, dass fortan Kind und Kegel (und Ehemann) pausenlos über meinen Küchenboden und meine Nerven hinwegtrampeln würden. Während ich mir die Hände wund schrubbte, googelte ich um Rat mit den Suchbegriffen: „Wie halte ich es länger als zwei Tage hintereinander mit meinen Liebsten aus?“ Oder: „Wie ertrage ich mein Kind ohne Lehrerin und Grosi**?“

„Mentale Hygiene“ wurde mein Mantra und „Sich jeden Tag neu erfinden“, meine neue Religion. Gähnende Leere im Terminkalender. Zitternde Knie beim Einkaufen. Der pure Kulturschock inmitten meiner vier Wände.

Dabei gehörte ich noch zur glücklichen Spezies: Mein Mann arbeitete ein bisschen im Homeoffice (Nähe!), ein bisschen in seinem Büro weit weg (Distanz!), und ein bisschen hatte er mehr frei (Thank you, God!!!). Meine zwei Mädels lernten hingebungsvoll miteinander zu spielen und bis auf die misslungene Episode mit dem Basteln siehe Eintrag „Dinosaurier und Magengeschwüre“ kamen wir ohne fremde Beschäftigungstherapie zurecht.

Bei mir persönlich herrschte kompletter Shutdown: Arbeit? Gestrichen! Sprachkurs? Abgesagt! Gottesdienst? Gecancelt! Freunde treffen? Gelöscht! Routinetermine? Weg damit! Mein Terminkalender war schneller geleert, als die ersehnte Wasserflasche eines Marathonläufers.

Anfangs hyperventilierte ich kurz: „Werden meine Eltern sterben?“ Oder: „Ich habe Schnupfen! Wen habe ich jetzt alles mit COVID-19 angesteckt?“ Dann kam ich zur Ruhe.

Herrliche, atmende, inspirierte Ruhe! Plötzlich war es genug, nach dem Essen noch ein bisschen sitzenzubleiben, ohne zu einem abendlichen Termin zu hetzen. Es war genug, morgens auf der Bettkante zu hocken und keinen Plan zu haben. Es war genug, einen halben Bibelvers zu lesen und drei Wochen lang immer wieder über dessen Schönheit und Bedeutsamkeit zu meditieren.

Gespräche mit Freunden und Nachbarn wurden einfach. Man freute sich über jedes bekannte Gesicht ausserhalb der vier Wände. Man lächelte sich an, verdrehte verständnisvoll die Augen, sagte „Wie geht’s?“ und „Bleibt alle gesund!“ und winkte zum Abschied kräftig und kehrte dann in seine Höhle zurück.

Vor meinen Augen verwandelte sich die pausenlos herumwuselnde, burnout- und herzinfarktgefährdete Insta-Gesellschaft in ein Volk von haustierhaltenden, hochbeetbepflanzenden, radfahrenden Naturburschen und –mädels! ***

Und ich selbst schrieb, schrieb, schrieb so viel wie seit Monaten nicht mehr. Nachdem beinahe alle äusseren Einflüsse weggefallen waren, mutierte mein Hirn zu einer beinahe unerschöpflichen Quelle kreativer Einfälle. Die letzten drei Wochen des Lockdowns dachte ich immer wieder: „Ich bin glücklich! So darf es bleiben! Eigentlich möchte ich nicht mehr zurück auf Hundert.“

Aber die Realität schlug unbarmherzig zu. Drei Wochen nach Schulstart hänge ich abends um acht wieder erschöpft auf der Sofakante und lasse den Tag Revue passieren:

„Habe ich jetzt den Wisch von der Schule unterschrieben oder gammelt er noch in der Küchenschublade vor sich hin? – Wem habe ich jetzt noch versprochen, dass wir uns nach dem Lockdown uuuunbedingt treffen wollen, weil wir uns ja soooo vermisst haben. – Und wie soll ich all die nachzuholenden Partys aneinander vorbeibringen?“

Ich rase mit 120 Stundenkilometern auf die Destination „Zustand wie vor dem Lockdown“ zu und frage mich verzweifelt, wo die Ausfahrt ist. Mein Mann hängt neben mir auf der Sesselkante. Augen zu und bleich um die Nase nach einer Woche mit sehr vielen Überstunden. Er seufzt abgrundtief, das Echo meines stummen Hilfeschreis.

Die Welt da draussen diskutiert sich die Köpfe heiss, welches Unternehmen noch eine Finanzspritze kriegt und ob und wann die zweite Welle über uns hereinbricht? Aber meine einzige Frage hier ist: „Liebe Frau Bundespräsidentin, wo ist das rote Plakat mit den Anweisungen, wie man sich resozialisiert, ohne auszubrennen?“ Soll mal jemand dazu eine Pressekonferenz halten … die Lage ist nämlich ernst.

*Bundespräsidentinnen und Bundespräsidenten der Schweiz werden vom Parlament für nur ein Jahr gewählt. Der- oder diejenige ist dann für das Jahr „primum inter pares“ oder „Erste/r unter Gleichen“. Das heisst, für begrenzte Zeit, begrenzte Macht.

** Offizielle Job-Bezeichnung für Grossmutter. In unseren Breitengraden Allzweckwaffe und Zufluchtsort, wenn einem die Kinder zu nahe treten.

*** Achtung! Hier leicht rosarot-romantisierte Wahrnehmung der Wirklichkeit!

Photo by Luis Villasmil on Unsplash

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Unkraut

Unkraut verdirbt nicht. Heute stehe ich am Rande meines Gartens und überzeuge mich selbst davon. Ich sehe die Gräser, die zwischen den Steinplatten emporwuchern, und die ich letzthin noch mit Unkrautvertilger hatte besprühen wollen. Vor mir liegt der samtweiche aber unregelmässig gemähte Rasen, denn die Klinge des Rasenmähers ist auf einer Seite stumpf geworden. Im Wintergarten wartet ein Korb mit zusammengelegter Wäsche auf mich.

Wo ich mich umschaue, sehe ich, was ich noch tun könnte, um alles um mich herum schöner und besser zu machen. Im Haus drin fällt mein Blick auf die weisse Wand, an der sich die Kleine in einem unbeobachteten Moment kreativ mit Farbe ausgetobt hat. Sehe den Schuhsalat in der Garderobe, den Bücherstapel, den die Kinder immer wieder von Neuem durchlesen und der schon ganz schief auf der Sofalehne hängt.

Zu Hause wurden wir in Fragen des Haushalts mit finnischer Hand erzogen. Es ist nicht so, dass wir in einem heillosen Chaos grossgeworden wären, aber das gute alte Schweizer-Hausfrauen-Gen fliesst nicht durch unsere Venen.

Als Teenager begann ich, das Chaos anzubeten. Es war mir herzlich egal, was wo zu liegen kam, und eine schwarze Ader tief in mir drin freute sich diebisch, wenn ein Besucher sichtlich die Fassung verlor, über der Frage, wie man in einer solchen Räuberhöhle hausen kann.

Damals rebellierte ich so gegen eine Welt, in der ich ansonsten immer versuchte, auf fromme Art und Weise Gott und die Menschen zu beeindrucken. Mein persönlicher Lebensraum war der Ort, in dem ich endlich alles fallen lassen konnte. Meine Unordnung wurde in unserer Familie sogar sprichwörtlich.

Natürlich will niemand auf ewig in einer Räuberhöhle leben. Doch ich war planlos, wie ich etwas daran ändern konnte. Der geseufzte Wunsch einer Kollegin von mir: „Lydia, ich wünsche dir, dass du mal einen Mann kriegst, der Ordnung hält!“, wurde mein heimliches Gebet, was ich aber nicht mal vor mir selbst zugegeben hätte.

Der Mann tauchte auf und – oh Wunder! – er hatte einen grösseren Sinn für Ordnung als ich. Es war vorprogrammiert, dass in unserer Ehe erst mal die Fetzen flogen. Tränen flossen und unschöne Worte wechselten den Besitzer, bevor ich zugeben konnte, dass ich mir ein belehrbares Herz bewahren wollte. Und mein Mann hatte tatsächlich einen Haufen äusserst hilfreiche Tipps für meine scheinbar unheilbare Lebensweise in petto.

Und – zweites Wunder! – ich war in der Lage zu lernen. Heute kann ich in einer normalen Woche meinen Zimmerboden soweit aufräumen, dass man mit dem Staubsauger durchfahren kann. Auch im Wohnzimmer kommt die Maschine regelmässig zum Einsatz. Ich ertappe mich gelegentlich dabei, dass ich mich an einer blankgeputzten Tischplatte erfreue. So richtig. Mit tief empfundenen Glücksgefühlen und so.

Manchmal aber laufe ich durchs Dorf und beobachte die Frauen, die in und ums Haus herum arbeiten. Mit der Nagelschere frisieren sie ihren englischen Rasen, mit dem Wischmopp bohnern sie einen bereits blitzblanken Eingang und in fieberhafter Wut, polieren sie Fensterscheiben.

Fünf Minuten falle ich dann in die die zwei Todsünden – das Vergleichen und den Neid – zurück und bedaure: „So weit werde ich nie sein.“

Und nach den Momenten der Unzulänglichkeit, spüre ich tief in meinem Herzen, dass ich es mag – das Unperfekte. Ich mag den gelben Löwenzahn, der zwischen den Steinplatten emporwächst. Ich liebe es, wenn meine Kinder die Walderdbeeren pflücken, die überall sind, wo sie nicht sein sollten. Ich liebe schräge Linien, und Kleider, die nicht zusammenpassen. Ich mag Bücherstapel und Schuhsalate und kunterbunte Wäschekörbe.

Ich fühle mich sehr wohl in dem Niemandsland zwischen Saustall und Paradiesgarten. Da lässt es sich nämlich wunderbar leben.

Photo by Teemu Paananen on Unsplash

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Dinosaurier und Magengeschwüre

„Bastelt mit euren Kindern!“, sagen sie. „Es fördert die Sozialkompetenz“, sagen sie.

Bastelkurs, Bastelmaterial, Bastel-Blog … es wimmelt nur so von Bastel-Ratschlägen. Bei Müttern zirkulieren sie im Allgemeinen sehr häufig, jetzt zu Corona-Zeiten besonders oft. Vom Kindergarten bekamen wir sogar ein wunderbares Heft namens „Bastel-Zauber“.

Seit jeher löst das Wort „Basteln“ bei mir einen leichten Würgereiz aus. Egal wie zauberhaft es mir präsentiert wird.

Heute, Sonntag, dachte ich mir, gebe ich dem Druck meiner missgelaunten Sechsjährigen nach: „Mami, wann basteln wir endlich etwas aus dem Kindergarten-Buch?“

Ich folge selbst meinem Rat, den ich meinen Kindern im Leben mitgeben möchte: „Springe über deinen Schatten! Geh an deine Grenzen! Versuch’s nochmal! Wenn man will, kann man (fast) alles lernen.“

Also schlagen wir das gefürchtete Ding auf und lesen: „Kugelbahn!“

„Okay!“, rede ich mir selbst gut zu. „Das ist das kleinste Übel aller Scheusslichkeiten, die ich hier sehe. Du schaffst das!“

Schnell sind alle Klopapierrollen aus den Tiefen des Kellers gegraben und das Malerabdeckband organisiert.

Und das Drama nimmt seinen Lauf: Ich zwinge meine steifen Fingergelenke dazu, den ganzen Müll zusammenzukleistern und regelmässig zerfällt alles wieder in seine Einzelteile, wenn ich gerade denke: „So, jetzt hab ich’s!“

Wie ein aussterbender Dinosaurier brülle ich durchs Wohnzimmer: „Afterlife! Aaaafterlife!!!“ (damit ich mir von meiner Tochter nicht sagen lassen muss: „A***loch, sagt man eigentlich nicht, Mami!“)

Sie sitzt mit einem skeptischen Sicherheitsabstand neben mir, hilft ein bisschen, wenn ich zwischen meinen Zähnen hindurchknurre: „Halt das mal!“ und sagt schliesslich lakonisch: „Deine Schwester hat aber mehr Geduld als du.“

Ich belle, pädagogisch nicht sehr wertvoll, zurück: „Ja, und genau darum bastelt sie auch, und ich nicht!“

Und jetzt sitze ich, als unterzuckertes Häufchen Elend in der Ecke und betrauere mein pulverisiertes Nervenkostüm, das ich eigentlich noch für den Rest des Tages gebraucht hätte und das ich jetzt so leichtfertig für das hässliche Geschwür an der Wand verbraten habe, welches den morgigen Tag eh nicht erleben wird. Und in meiner Schulter sitzt ein hartnäckiger Stress-Knoten.

Einmal mehr beschliesse ich: Zehnmal lieber, lehre ich meine Kinder sämtliche Flaggen und Hauptstädte der Welt, bringe ihnen bei auf Französisch, Englisch, Finnisch und Suaheli zu zählen und lese ihnen Geschichten vor, bis die Sonne untergeht, als mich noch einmal durch solch eine Tortur zu schleifen. Schuster, bleib bei deinen Leisten!

Liebe Bastel-Freundinnen, ihr seid meine neuen Super-Heldinnen! Aber eins soll euch geflüstert sein: Die Welt ist ein besserer Ort, wenn Lydia Schwarz NICHT bastelt!

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Fassade

In den letzten Tagen und Wochen sind mir einige Menschen über den Weg gelaufen. Wobei man sich ja nicht mehr über den Weg laufen darf. Und deshalb muss ich korrekterweise sagen: Ich habe von ihnen gehört und gelesen.

Da gibt es die Corona-Verunsicherten: „Ich habe Schnupfen. Darf ich jetzt noch einkaufen gehen?“

Die Corona-Leugner: „Die Massnahmen des Bundes sind alle komplett übertrieben.“

Die Steigerung der Corona-Leugner sprich die Corona-Verschwörungstheoretiker: „Das ist alles nur ein Pakt der Klimaschützer! Das Virus wurde im Labor gezüchtet und von den Amerikanern bzw. den Chinesen auf die Menschheit losgelassen.“ (Das ist meine Lieblingsvariante. Darüber möchte ich gerne einmal einen Science-Fiction-Roman schreiben.)

Die Corona-Angsthasen: „Ich lebe von nun an unter meinem Bett. Wir sehen uns frühestens in vier Wochen wieder.“

Die Corona-Fatalisten: „Schlussendlich kommt es mir nicht so drauf an, was mich in den Himmel befördert. Wenn meine Zeit gekommen ist, dann ist sie gekommen.“

Die Corona-Abgebrühten: „Corona? Was ist das? Ich kann mich noch an die Lebensmittelmarken im Zweiten Weltkrieg erinnern!“

Die Corona-Hardcore-Psalm-91-Beter: „Selbst wenn die Pest im Dunkeln zuschlägt, und am hellen Tag das Fieber wütet, musst du dich doch nicht fürchten.“

Die Corona-Unheilspropheten: „Das wird alles noch viiiiel schlimmer.
60 – 70 % der Bevölkerung werden sich infizieren und davon werden 5 % sterben.“

Die Corona-Besserwisser: „Nein, es sind nicht 5 %, sondern 4,4 %.“

Die Corona-Jammerlappen: „Die Welt ist schlecht. Und mir geht’s gerade auch so richtig schlimm.“

Die Corona-Aktivisten: „Wie und wem kann ich jetzt helfen?“

Die Corona-Optimisten: „Aus dem allem, werden wir als bessere Menschen hervorgehen.“

Die Corona-Mutmacher: „Kopf hoch! Alles geht vorbei! Auch Corona!“

Die Corona-Wutbürger: „Die Regierung hat’s voll nicht im Griff. Sie hätten die Massnahmen viel früher / später ergreifen sollen.“ (Nicht Zutreffendes bitte durchstreichen.)

Die Corona-Selbstgerechten: „Was sind das bloss für Asoziale, die jetzt noch vor die Haustür gehen???“

Die Corona-Selbstinszenierer: „Ich poste tausend Fotos von mir, wie ich zu Hause bleibe und meeeeega Spass dabei habe.“

Die Corona-Kreativen: „Endlich habe ich genug Zeit, um meine lang liegengebliebenen Herzens-Projekte auszuführen.“

Vermutlich gibt es noch viel mehr Kategorien, welche ich bewusst etwas überzeichnet habe. So vielfältig wir sind, so unterschiedlich gehen wir mit der Krise um.

Aber ich möchte nicht an einer Schubladisierung hängenbleiben, sondern etwas in die Tiefe gehen. Aus diesem Zweck starte ich ein Experiment. Machst du mit?

Ich suche mir eine der obigen Kategorien aus, die am ehesten auf mich zutrifft. Bei mir ist das zum Beispiel „Die Corona-Verunsicherte“. (Das zuzugeben tut mir am wenigsten weh!)

Siehst du dich selbst auch in einem oder zwei dieser Kategorien? Dann triff mal deine Wahl! Hast du’s? Gut!

Jetzt nehmen wir nämlich einen Stift und streichen bei jeder Kategorie das Wort Corona durch.

Corona-Verunsicherte

Corona-Leugner

Corona-Verschwörungstheoretikerin

Corona-Angsthase

Corona-Fatalistin

Corona-Abgebrühter

Corona-Hardcore-Psalm-91-Beterin

Corona-Unheilsprophet

Corona-Besserwisserin

Corona-Jammerlappen

Corona-Aktivistin

Corona-Optimist

Corona-Mutmacherin

Corona-Wutbürger

Corona-Selbstgerechte

Corona-Selbstinszenierer

Corona-Kreative

Und? Trifft die Bezeichnung immer noch auf dich zu?

Wenn du in den Spiegel schaust: Hast du den Mut, zuzugeben: Ja, ich bin verunsichert. Ja, ich habe Angst. Nein, ich traue der Regierung nicht. Ja, ich bin selbstgerecht.

Nebst dem, was dieses Coronavirus alles zerstört, es zerlegt auch systematisch die Fassade, die wir schon lange und so sorgsam um uns herum aufgebaut haben, und hinter der wir uns so lange verstecken konnten.

Wir kleisterten Farbe und Blumenschmuck über unsere hässlichen Charakterzüge. Ein Lächeln über ein weinendes, zerbrochenes Herz. Wir sagten: „Danke, es geht mir gut“, obwohl wir lieber schreien wollten. Wir grüssten einander freundlich, obwohl wir uns am liebsten die Meinung gegeigt hätten. Wir heuchelten Bescheidenheit, obwohl wir endlich aus unserem engen Käfig ausbrechen wollten. Wir versteckten Zorn, Trauer, üble Gedanken, Stolz oder sogar Talente.

So stolzierten wir durch die Lande, bis das Virus kam, und uns zeigt, wie dünn eigentlich der Firnis ist, den wir zur Schau tragen. Unsere echten Empfindungen streben in Windeseile an die Oberfläche. Der Lack ist ab. Und was geschieht jetzt?

Der Blick in den Spiegel mag schmerzhaft sein, aber es ist nicht das Ende der Geschichte. Es geht weder darum, sich für die eigenen Schwächen zu verdammen oder die Stärken zu verleugnen.

Wenn wir innehalten und uns ehrlich betrachten, kann es auch eine Chance sein. Eine Chance loszulassen, sich verletzlich zu machen, Mangel zuzugeben, zuzulassen heil und ganz zu werden. Oder sich wenigstens auf die Suche nach Hilfe und Antworten zu begeben.

Kann aus einem Angsthasen eine mutige Löwin werden? Oder aus einem Unheilspropheten, jemand, der auf Gott vertraut? Wird aus einer Leugnerin, eine Frau, die furchtlos der Realität ins Auge blickt? Kann aus einem Selbstinszenierer, jemand werden, der die Bedürfnisse der Menschen um sich herum wahrnimmt? Kann aus dem Sieben-Tage-Regenwetter-Pessimisten, jemand werden, der Hoffnung verbreitet?

Ich glaube: Ja!

Meine Kräfte möchte ich nicht mehr darauf verwenden, die Fassade aufrecht zu erhalten und vor anderen gut dazustehen. Stattdessen möchte ich mich auf die guten Dinge zu konzentrieren, die in mir schlummern. Der Optimismus, das Kreative, das Gottvertrauen, der kühle Kopf, die Mutmacherin, die Hoffnungsträgerin.

Denn eines Tages wird Corona aus unserem Alltag gestrichen sein. Das, was zurückbleibt, ist entscheidend.

Photo by Erik Eastman on Unsplash

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Alltag Life This I believe

This I believe-Das glaube ich

Ich bin Christin. Was bedeutet das heutzutage? Was bedeutet es für mich?

Wenn ich mich zum Christentum bekenne, stelle ich mir die Frage: Was ist eine Christin überhaupt?

Das Wort „Christin“ kommt vom Namen Jesus Christus, dem Gründer und Zentrum des Christentums. Wenn ich sage, ich bin Christin, dann bin ich eine Nachfolgerin von besagtem Christus.

Was bedeutet es, eine Nachfolgerin von Christus zu sein? Ich möchte tun, was er sagt.

Wie finde ich heraus, was er sagt? Ist es so, dass Gott heute noch spricht? Oder ist das Ganze nur ein fauler Zauber?

In der Öffentlichkeit wird das fundamentale Christentum oft abgehandelt. Diese Christen, von denen die Medien sprechen, sind in der Regel altmodisch und im Allgemeinen eher intolerant und lust- und lebensfeindlich dargestellt.

Ich muss zugeben, wenn ich solche Artikel lese, zieht sich manchmal mein Magen zusammen, mein Herz klopft hektisch, ich kriege Schweissausbrüche und bleibe dann ratlos und verwirrt zurück.

Was hier in diesem Bericht steht, bin doch nicht ich!, denke ich. Oder etwa doch?

Ich bin Christin. Aber heisst das jetzt, dass ich homophob bin? Darf ich liberale Feministin sein oder muss ich patriarchalische Gesetzlichkeit unterstützen? Vermittle ich meinen Kindern eine restriktive Sexualerziehung? Oder propagiere ich die Freiheit in allem?

Wo positioniere ich mich? Zu was bekenne ich Farbe?

Und: Muss ich das überhaupt???

Ist das Christentum eine blosse Abfolge religiöser Handlungen und sturer Meinungen? Oder reicht der Glaube bis in den Kern meines Seins und Alltags?

Dies leitet mich zu der Frage: Was glaube ich eigentlich?

Was bringt mich dazu, als klar und vernünftig denkender aufgeklärter Mensch, den Glauben meiner Vorfahren nicht fortzuwerfen, sondern mich zu ihm zu bekennen?

Was ist Glaube überhaupt?

Mein Glaube ist das Überzeugtsein von etwas, das ich nicht sehen kann. Er ist eine Mischung zwischen empfundener Emotion und Resultat langer Überlegungen. Es ist eine Zusammensetzung aus Prägung und eigener Erfahrung.

Glaube ist persönlich und so individuell wie ein Fingerabdruck.

In nächster Zeit möchte ich auf diesem Blog unter anderem über den Glauben schreiben. Es geht nicht um eine Verteidigungsschrift oder ein Manifest. Sondern meine Bestandsaufnahme.

Was glaube ich? Warum glaube ich? Was hält den Stürmen des Lebens stand? Was bleibt fest, wenn die Angst alles um mich herum pulverisiert? Wofür schäme ich mich nicht?

Was bedeutet der christliche Glaube heute? Was bedeutet er für mich?
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Photo by Steve Halama on Unsplash

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Blog Life Reise

Die Welle bricht

Ein fernes Donnern drang an mein Ohr, als ich im tropischen Wald auf Maui vorwärtsstapfte und durch die letzten Büsche brach. Der Strand ergoss sich zu meinen Füssen. Mannshohe türkisfarbene Wogen bäumten sich vor mir auf und krachten auf die Schelfkante der Inselkette Hawaii. Sie schäumten auf den Sand, kräuselten sich spielerisch um meine Zehen. Reizten, lockten mich.

Das Meer rief. Ich schnappte mir ein Boogie-Board und antwortete.

Zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich die Naturgewalt Wasser in diesem Ausmass am eigenen Körper zu spüren. Nach der besten Welle hielt ich Ausschau, paddelte wie eine Verrückte mit ihr im Einklang und zelebrierte das Hochgefühl, als mich die Wassermengen mit sich rissen in bisher unbekannte Höhen. Ein Jauchzen entrang sich meiner Kehle.

Dann brach der Wellenkamm, saugte mich hinein, schleuderte, wirbelte mich herum, bis ich die Orientierung verlor, drückte, zog und zerrte an mir und warf mich dann mit voller Wucht auf den Sandstrand. Ich blieb für eine Sekunde liegen, krabbelte wie eine Wilde auf der Flucht vor der nächsten herandonnernden Welle davon. Ich atmete auf, als ich ihr entkam und nur ihre Ausläufer um meine Knöchel tanzten, säuselten und schäumten.

Lachend fischte ich nach dem Boogie Board und rannte zurück ins Meer. Ein Rausch ergriff mich. Immer wieder stürzte ich mich ins Meer, bis ich Stunden später erschöpft mit sicherem Abstand vor den Wellen in den trockenen Sand sank. Es fühlte sich an, als hätte ich Muskeln gezerrt, einige Knochen gestaucht und viel Hautfläche abgeschürft. Drei Tage später hustete ich noch Sand ab, aber das Erlebnis hatte sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt.

In den letzten sechs Jahren schien mir das Leben wie der donnernde Pazifik. Im Januar 2014 wurde ich Mutter, im Mai 2014 dreissig und im November 2014 publizierte Autorin. Was für ein Wellenkamm!

Dann ging es Schlag auf Schlag. Ein Buch, ein Kind, ein Buch, ein Kind, ein Buch. Mein Leben war plötzlich ein Wirbel aus Salzwasser und Sand. Ich schwamm oben auf, bei kreativen Energieräuschen und herzerwärmenden Fortschritten der Kinder. Ich verlor die Orientierung in chronischem Zeitmangel und ungezählten schlaflosen Nächten. Wurde von bisher unbekannten Naturgewalten hin und her und rundherum gezerrt, gedrückt, gezogen und gestaucht. Es gab Monate, die sind heute in meiner Erinnerung bloss ein Gischtnebel.

Mütter fragten mich: „Wie schaffst du es, neben dem Muttersein noch zu schreiben?“ Autorinnen fragten mich: „Wie schaffst du es, neben dem Schreiben Mutter zu sein?“
„Ich weiss es nicht!“, habe ich gesagt.

Ich weiss es auch heute noch nicht. Vielleicht war es ein Wunder. Ein Wahnsinns-Wunder. Vielleicht war es auch nur Wahnsinn.

In der Waschmaschine des Lebens war ich gefangen, bis mich das Ende des letzten Buchs meiner Trilogie, „die Heldendämmerung“, auf den Strand der Erschöpfung warf.

Da lag ich im Sand, während ich zuschaute wie das Meer das Boogie-Board meiner Kreativität mit sich fortzog.

Ich wollte mich aufraffen, das Board wieder packen, und mich zum nächsten Wellenritt aufmachen. Aber ich konnte meine geschundenen Knochen kaum rühren.

Aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen Monate. Das Meer umtänzelte mich, wollte mich wieder mit sich ziehen. Doch ich wandte mein Gesicht ab und dachte: „Sei doch still! Ich kann nicht meer.“ Eines Tages fand ich die Kraft vom tobenden Ozean wegzukriechen, ein lauschiges Schattenplätzchen im Wald zu suchen. Nur noch dem Donnern lauschte ich und hustete kräftig Sand ab.

Und schliesslich taten die Gezeiten das Ihre dazu. Der Lockruf des Meeres erreichte wieder mein Herz und nicht nur mein Ohr. Langsam griff ich nach meinem Boogie-Board und setzte einen Fuss vor den anderen, bis ich wusste: Mein Wunsch zu schreiben ist stärker als die Erschöpfung.

Ich weiss nicht, wo du jetzt gerade stehst im Leben. Reitest du auf einem Wellenkamm und alles fällt dir zu? GENIESSE ES!

Wirbelt dich die Welle des Lebens so richtig durcheinander und weisst du nicht, wo oben und wo unten ist? HALTE DURCH! Hilfe ist unterwegs! Du wirst nicht ertrinken.

Fühlst du dich, als hätte dich das Meer des Lebens so richtig auf den Strand der Erschöpfung gekotzt? Komme zur Ruhe, huste Sand ab und wenn die Kraft wieder zurückkehrt: STEH AUF, pack dein Boogie Board und setze einfach einen Schritt vor den anderen! Das Abenteuer des Lebens wartet auf dich!

Das Foto entstand im Juni 2015 am Big Beach, Maui, Hawaii.

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Initiative

English version below

Es mag eine Herausforderung sein, Initiative zu ergreifen. Besonders, wenn es im Persönlichkeitsprofil nicht zuoberst steht.

Wenn man etwas Neues beginnt, etwas erschafft, hält man seinen Kopf zum Fenster raus, exponiert sich – und man erhält automatisch eine Reaktion von seinem Umfeld. Höchstwahrscheinlich auch noch Kritik. Denn es ist so viel einfacher, etwas Bestehendes zu kritisieren, als etwas Neues zu schaffen.

Veranschaulicht wird das mit dem Bild eines Babys. Zuerst lernt es, bereits Gebautes einzureissen; es bedarf einer grösseren Fähigkeit, selbst Bauklötze zu einem Gebäude aufzutürmen.

Deshalb – so habe ich herausgefunden – ist es am besten, wenn man alles aus Begeisterung oder gar Leidenschaft schafft, und nicht, um anderen zu gefallen.

Der Plan und die Ausführung müssen nicht perfekt sein. An allem, was man schafft, soll man lernbereit bleiben.

Deshalb meine Herausforderung für 2020:

  • Ergreife die Initiative!
  • Erschaffe etwas Neues!
  • Halte den Kopf aus dem Fenster! Trau dich! Und lasse dir den Wind des Lebens um die Ohren pfeifen!
  • Wandle Kritik in Wachstum um!
  • Und wenn niemand mitmacht? Gehe ein Stück deines Weges allein, und freue dich selbst an dem, was du geschaffen hast!

Alles Gute fürs neue Jahrzehnt 2020-2030!!!

It might be a big challenge to take initiative. Especially, if “being pro-active” is not on top of your personality profile list.

If you start something new – create something – you stick your neck out and expose yourself. And automatically you get a reaction from the outside world. Highly probable it is criticism.

It is so much easier to criticize something which is already there, instead of creating something new.

We see this so clearly in children. First they learn to destroy things which are already built. They need to improve their skills to pile up towers and houses with building bricks by themselves.

I found out that it is best to create everything out of enthusiasm and passion, and not to please others.

The plan and execution don’t have to be perfect. Stay willing to learn on everything to do.

Here is my challenge for 2020:

  • Take initiative!
  • Create something new!
  • Stick your neck out!
  • Turn criticism into growth!
  • What if nobody cares? Walk a part of the road alone and enjoy everything you created!

HAPPY NEW DECADE 2020-2030!!!

Photo by Jingda Chen on Unsplash

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Klatschweib

Eine Wortstudie

Wo zwei oder drei Menschen, vornehmlich weiblichen Geschlechts, beisammen sind, da ist es mitten unter ihnen. Das Klatschen.

Mit diesem Klatschen ist nicht die Bedeutung gemäss Duden Definition 2 a) gemeint, wo steht: die Innenflächen der Hände [wiederholt] gegeneinanderschlagen, sondern die Definition 4 a): in geschwätziger Weise [über nicht Anwesende] reden.

Wie oft habe ich selbst in der Nicht-Anwesenheit einer Person meine Sätze folgendermassen angefangen: „Hast du gesehen, wie der … ?“ oder „Kannst du glauben, dass die … ? Imfall!“
Wie vertraut bin ich mit meinem klatschenden Ich und möchte ihm ab und zu gerne eine klatschen  gemäss Definition 3 a): mit der flachen Hand klatschend schlagen.

Mein inneres Klatschweib wird nämlich in der Regel von drei Motoren angetrieben:

  1. Unzufriedenheit: „Andere jetten rund um die Welt und schwimmen im Roten Meer, während ich knietief durch die Spielsachen im Wohnzimmer wate.“
    Oder: „Berufskolleginnen hauen pro Jahr ein Buch raus und ich kann mir während Monaten kaum einen vernünftigen Satz aus dem Ärmel leiern.“
  2. Langeweile und die Sensationsgeilheit, die daraus resultiert: Aus Zwecken der Unterhaltung hechele ich mit anderen den gesamten gemeinsamen Bekanntenkreis durch. Frau möchte ja informiert sein!
  3. Minderwertigkeitskomplexe: Es gibt Tage, da schreit die Liste meiner Unfähigkeit als Hausfrau und Mutter nicht nur zum Himmel, sondern sie reicht auch bis dahin.
    „Schnell! Reden wir doch darüber, was alle anderen falsch machen, dann fühle ich mich besser.“ Für eine Sekunde oder so.

Wenn ich glaube, das klatschende Biest endlich weggesperrt zu haben, gerate ich gewiss in ein Kuddelmuddel unzufriedener Frauen. Und wie so oft gehen mir erst die Augen bzw. die Ohren auf, wenn ich es von anderen höre.

Meine Seele übergibt sich dann ein kleines bisschen und ich möchte die Faust auf den Tisch klatschen  gemäss Definition 1 a): ein [helles] schallendes Geräusch durch das Aufschlagen von etwas [weichem] Schwerem auf etwas Hartes von sich geben.

Ach, hätte ich doch dann den Mut, in die Runde zu schreien: „Mädels! Echt jetzt? Haben wir es nötig? Wenn ich uns anschaue, sind wir, jede auf unsere eigene Art wunderschön, haben tolle Charakterstärken und einzigartige Fähigkeiten.“

Und ich möchte mit Schwung die Liste ausrollen, die ich mir selbst immer lese:

  • Fokussiere deine Kreativität auf deine eigenen Stärken! Wenn dir keine einfällt, frag eine Person, die dir nahe steht, oder gehe zum Coach.
    (Der Motor der Unzufriedenheit fällt aus.)
  • Worin bist du bereits gut? Setze alles daran, darin hervorragend zu werden! Vertiefe diese Fähigkeiten und verfeinere sie! Plötzlich hast du keine Zeit mehr, wie ein Geier auf das Leben anderer zu starren und jede Bewegung zu beurteilen.
    (Der Motor der Langeweile verabschiedet sich.)
  • Lebe deine Begabung nach deiner Kraft an deinem Platz aus, und vergleiche dich nicht mit Madame XY und Mister Der-Sowieso-Alles-Besser-Kann!
    (Der Motor der Minderwertigkeitskomplexe sagt Ade.)

Anstatt Schlechtes zu reden, möchte ich lieber ein Klatschweib nach der Definition 2 c) sein: Durch Klatschen seine Zustimmung, Begeisterung ausdrücken; applaudieren.

Ich applaudiere an dieser Stelle bewusst für andere Frauen: meine Mutter, meine Töchter, meine Schwestern, meine Freundinnen, Arbeitskolleginnen, Nachbarinnen und verneige mich vor ihren Fähigkeiten.

So klatsche ich nämlich am liebsten. Und wie klatschst du?



„Die Menschen haben es gelernt, wilde Tiere, Vögel, Schlangen und Fische zu zähmen und unter ihre Gewalt zu bringen. Aber seine Zunge kann kein Mensch zähmen. Ungebändigt verbreitet sie ihr tödliches Gift. Mit unserer Zunge loben wir Gott, unseren Herrn und Vater, und mit derselben Zunge verfluchen wir unsere Mitmenschen, die doch nach Gottes Ebenbild geschaffen sind. Segen und Fluch kommen aus ein und demselben Mund. Aber genau das darf nicht sein! Fliesst denn aus einer Quelle gleichzeitig frisches und ungeniessbares Wasser?“

Die Bibel in Jakobus 3, 7-10

Photo by Ben White on Unsplash