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Die Welle bricht

Ein fernes Donnern drang an mein Ohr, als ich im tropischen Wald auf Maui vorwärtsstapfte und durch die letzten Büsche brach. Der Strand ergoss sich zu meinen Füssen. Mannshohe türkisfarbene Wogen bäumten sich vor mir auf und krachten auf die Schelfkante der Inselkette Hawaii. Sie schäumten auf den Sand, kräuselten sich spielerisch um meine Zehen. Reizten, lockten mich.

Das Meer rief. Ich schnappte mir ein Boogie-Board und antwortete.

Zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich die Naturgewalt Wasser in diesem Ausmass am eigenen Körper zu spüren. Nach der besten Welle hielt ich Ausschau, paddelte wie eine Verrückte mit ihr im Einklang und zelebrierte das Hochgefühl, als mich die Wassermengen mit sich rissen in bisher unbekannte Höhen. Ein Jauchzen entrang sich meiner Kehle.

Dann brach der Wellenkamm, saugte mich hinein, schleuderte, wirbelte mich herum, bis ich die Orientierung verlor, drückte, zog und zerrte an mir und warf mich dann mit voller Wucht auf den Sandstrand. Ich blieb für eine Sekunde liegen, krabbelte wie eine Wilde auf der Flucht vor der nächsten herandonnernden Welle davon. Ich atmete auf, als ich ihr entkam und nur ihre Ausläufer um meine Knöchel tanzten, säuselten und schäumten.

Lachend fischte ich nach dem Boogie Board und rannte zurück ins Meer. Ein Rausch ergriff mich. Immer wieder stürzte ich mich ins Meer, bis ich Stunden später erschöpft mit sicherem Abstand vor den Wellen in den trockenen Sand sank. Es fühlte sich an, als hätte ich Muskeln gezerrt, einige Knochen gestaucht und viel Hautfläche abgeschürft. Drei Tage später hustete ich noch Sand ab, aber das Erlebnis hatte sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt.

In den letzten sechs Jahren schien mir das Leben wie der donnernde Pazifik. Im Januar 2014 wurde ich Mutter, im Mai 2014 dreissig und im November 2014 publizierte Autorin. Was für ein Wellenkamm!

Dann ging es Schlag auf Schlag. Ein Buch, ein Kind, ein Buch, ein Kind, ein Buch. Mein Leben war plötzlich ein Wirbel aus Salzwasser und Sand. Ich schwamm oben auf, bei kreativen Energieräuschen und herzerwärmenden Fortschritten der Kinder. Ich verlor die Orientierung in chronischem Zeitmangel und ungezählten schlaflosen Nächten. Wurde von bisher unbekannten Naturgewalten hin und her und rundherum gezerrt, gedrückt, gezogen und gestaucht. Es gab Monate, die sind heute in meiner Erinnerung bloss ein Gischtnebel.

Mütter fragten mich: „Wie schaffst du es, neben dem Muttersein noch zu schreiben?“ Autorinnen fragten mich: „Wie schaffst du es, neben dem Schreiben Mutter zu sein?“
„Ich weiss es nicht!“, habe ich gesagt.

Ich weiss es auch heute noch nicht. Vielleicht war es ein Wunder. Ein Wahnsinns-Wunder. Vielleicht war es auch nur Wahnsinn.

In der Waschmaschine des Lebens war ich gefangen, bis mich das Ende des letzten Buchs meiner Trilogie, „die Heldendämmerung“, auf den Strand der Erschöpfung warf.

Da lag ich im Sand, während ich zuschaute wie das Meer das Boogie-Board meiner Kreativität mit sich fortzog.

Ich wollte mich aufraffen, das Board wieder packen, und mich zum nächsten Wellenritt aufmachen. Aber ich konnte meine geschundenen Knochen kaum rühren.

Aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen Monate. Das Meer umtänzelte mich, wollte mich wieder mit sich ziehen. Doch ich wandte mein Gesicht ab und dachte: „Sei doch still! Ich kann nicht meer.“ Eines Tages fand ich die Kraft vom tobenden Ozean wegzukriechen, ein lauschiges Schattenplätzchen im Wald zu suchen. Nur noch dem Donnern lauschte ich und hustete kräftig Sand ab.

Und schliesslich taten die Gezeiten das Ihre dazu. Der Lockruf des Meeres erreichte wieder mein Herz und nicht nur mein Ohr. Langsam griff ich nach meinem Boogie-Board und setzte einen Fuss vor den anderen, bis ich wusste: Mein Wunsch zu schreiben ist stärker als die Erschöpfung.

Ich weiss nicht, wo du jetzt gerade stehst im Leben. Reitest du auf einem Wellenkamm und alles fällt dir zu? GENIESSE ES!

Wirbelt dich die Welle des Lebens so richtig durcheinander und weisst du nicht, wo oben und wo unten ist? HALTE DURCH! Hilfe ist unterwegs! Du wirst nicht ertrinken.

Fühlst du dich, als hätte dich das Meer des Lebens so richtig auf den Strand der Erschöpfung gekotzt? Komme zur Ruhe, huste Sand ab und wenn die Kraft wieder zurückkehrt: STEH AUF, pack dein Boogie Board und setze einfach einen Schritt vor den anderen! Das Abenteuer des Lebens wartet auf dich!

Das Foto entstand im Juni 2015 am Big Beach, Maui, Hawaii.

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Warum Holländisch?

„Warum wurde dein Buch ausgerechnet auf Holländisch übersetzt?“, ist eine Frage, die ich schon oft gehört habe.

Mein erstes Buch „Die Kreuzträgerin“ heisst auf Holländisch „De Kruisdraagster“. Als ich vom Schreiben träumte, hätte ich mir niemals auszumalen gewagt, dass mein Buch von Menschen gelesen wird, deren gesprochene Sprache ich nicht verstehe.

Nun gut, ein bisschen ist sie ja schon zu verstehen, diese Sprache, die so familiär in den Ohren klingt, von der man aber, wenn man etwas genauer hinhört, den Sinn trotzdem nicht erfasst.

Ich durfte die Niederlande schon viermal besuchen. Ich hab eine einheimische Freundin dort, die ich in Kenia kennen gelernt habe und eine Schweizer Freundin, die einen Holländer geheiratet hat und nun auch in dem Land wohnt, deren höchste natürliche Erhebung 300 Metern über Meer liegt.

Sie waren immer sehr abenteuerlich, diese Reisen ins Land der Toleranz und der landschaftlichen Weite. Es ist schon zehn Jahre her, als ich mit einer Freundin am Samstagmorgen die Taschen packte, mit dem Auto los düste, eine Hardcore-Sightseeing-Tour veranstaltete und am Sonntagabend spät wieder nach Hause zurückkehrte, um am Montag wieder arbeiten zu gehen. (Und nein, ich will keine Sprüche über Benzinverschwendung hören. Diese Geschichte erzähl ich noch meinen Grosskindern. Sie bleibt unvergessen unter dem Titel: „Das Wochenende, an dem wir nach Holland düsten.“)

So apart die Sprache ist („Zwiebel“ heisst z.B. „ui“) so herzlich und offenherzig sind die Menschen. Sie sind direkt, geradeaus, ehrlich, klar, wie der Himmel über dem Meer, das sie sich mit Dämmen vom Hals halten. Wenn ich die Augen schliesse, sehe ich immer noch so weit das Auge reicht: Das Weideland, die Pappeln, die Windräder zur Stromgewinnung. Für uns Schweizer, die in engen Tälern und Bergen eingesperrt sind, entfaltet sich ein fremder und doch so wundervoller Anblick. Das Land des Wassers und des Windes. Das Land der majestätischen, königlichen Bauten und den Häusern aus dunkelbraunem Backstein.

Aber um nun die Frage zu beantworten, weshalb mein Buch auf Holländisch übersetzt wurde: Mein Verlag setzte sich dafür ein, dass ein holländischer Verlag mein Manuskript liest. Die meisten Niederländer sind der deutschen Sprache mächtig. Deshalb konnten sie es auf Deutsch prüfen und bewilligen. Was zu meiner grossen Freude geschehen ist.

„Warum übersetzen sie dein Buch denn nicht auf Englisch?“, fragt mich immer mal jemand. Ich glaube, weil meinen Träumen zuerst noch grössere Hoffnungsflügel wachsen müssen. Und weil ich noch niemals in England war.

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Fernweh

Es singt in meinem Blut das Fernweh. Die Sehnsucht von zu Hause aufzubrechen, die Tür zu schliessen, den Alltag hinter mir zu lassen und neue Gefilde zu erobern.

Es liegt schon seit Geburt in meinem Blut. Meine Eltern waren in New York und