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Der Tanz der Buchstaben

Vor meinen inneren Augen sehe ich sie immer noch vor mir: Die Magnetplatte mit den Buchstaben, mit denen ich schon als kleines Kind spielte. Das P ist grün, das D auch. Aber O und U sind gelb, und mein Lieblingsbuchstabe Y ein grelles Rot. Diese Farben haben die Lettern bis heute in meinen Kopf.

Aber Buchstaben sind nicht nur farbige Zeichen. Buchstaben sind Klänge, sind Sprache. Das Tor zu einer Zauberwelt, einem Schlaraffenland.

Buchstaben sind Lautmalerei. So ist Haha eine kunterbunte Explosion von Freude, hihi deren kleine schüchterne Schwester und höhö der grosse schadenfreudige Bruder. Iiiih ist Ekel pur. – Siehst du den grünen Rotz?
Pfu-iii ist die kalte Hundeschnauze und Ng-ng-ng kochtopfrote Wut.

Buchstaben tanzen wie Schmetterlinge über dem Lavendel – Garten meiner Seele. Tag und Nacht feiern sie vor meinen Augen ein Fest. Sie sind meine imaginären Freunde, die mir zu Zeiten und Unzeiten zurufen: „Komm und spiel mit uns!“ Sie locken mich, verführen mich dazu, sie zu umfassen und zu tausenden neuen Kombinationen zusammenzufügen.

Buchstaben setzen Grenzen. Das sanfte Knallen des P’s sagt: „Stopp! Komm nicht näher!“ „Hallo“ hingegen ist eine sanfte und einladende Umarmung.

Andere joggen oder stricken zur Entspannung. Ich lese oder schreibe.

Buchstaben beruhigen mich. Immer. Wenn das Chaos im Hirn ein schwarzes Knäuel zusammengeknautschter, nasser, zerraufter Schafwolle ist, dröseln Buchstaben und Wörter das Durcheinander zu einzelnen zu bewältigenden Fäden auf. Ist der Alltag unerträglich, streicheln die Wörter mein Hirn rufen ihm zu: „Das Leben ist doch schön.“

Musik kann laut und störend sein, menschliche Stimmen schrill und kratzig. Aber Buchstaben sind immer angemessen.

Buchstaben rufen Bilder und Stimmungen hervor, wie Abendrot und Sturmwolke.

Tulpe, Banane, Blatt und Regentropfen sind klaren Farben und Formen zugeordnet.

Es gibt kurze Wörter, die aber im Kern kompliziert sind wie ich und du. Es gibt kleine Wörter die grosse Auswirkungen haben so wie Ja und Nein.

Viele beschweren sich über die Gross- und Kleinschreibung im Deutschen. Dabei empfinde ich die Grossbuchstaben als besonders ästhetisch. Sie beschreiben konkrete Dinge wie Ähre oder abstrakte Begriffe wie Geborgenheit. Man braucht sie für die Namen von geliebten Menschen oder von exotischen Orten, die man noch bereisen möchte.

Mit Buchstaben kann man sogar rechnen. Aber wer will das schon, wenn man immer noch neue Wörter damit formen kann, die man bisher nicht gekannt hat, wie „Petrichor“ und „Koryphäe“?

Andere Menschen denken in Bildern oder Zahlen. Ich denke in Buchstaben.

Wenn ich mir langweilige Dinge anhören muss, wie zum Beispiel eine Predigt mit einem Haufen mansplaining drin oder einen Vortrag über steuerliche Vorteile der Innerschweizer Kantone, zeichne ich das Alphabet auf und schon eröffnen sich mir fantasievolle Welten, in die niemand sonst Zutritt hat.

Als ich mal jemandem gestand, dass ich zu Hause heimlich den Duden lese und nebenher noch den „Oxford Dictionary of English“, starrte die Person mich entgeistert an, als hätte ich einen an der Waffel. Und ich verteidigte mich stotternd: „Aber … Wörter … weisst du?“ Ich rümpfe ja schliesslich auch nicht die Nase über Menschen, die den Wirtschaftsteil der Zeitung lesen oder – heaven forbid! – ein Modemagazin.

Und wenn ich dann denke, die deutsche Sprache ist doch endlich, da geht nichts mehr, lassen sich die Buchstaben noch in tausenden anderen Sprachen zu Kombinationen zusammenfügen, die das Herz so noch nicht kannte und immer wieder von Neuem erfreuen.

Was für schöne Worte sind zum Beispiel pyykkipoika (Wäscheklammer auf Finnisch), oder imperméable (Regenschutz auf Französisch; wörtlich wasserundurchlässig) oder amore (Liebe auf Italienisch). Ui ist die Zwiebel auf Niederländisch, maji heisst Wasser auf Suaheli oder dann doughnut (wörtlich: Teignuss) das köstliche, zuckersüsse Gebäck aus Amerika.

Da möchte ich gleich einen Spaten schultern und auf den Acker der Weltsprachen ziehen, um dort ein bisschen zu buddeln. Ich kann mir kaum ausmalen, was für unentdeckte Schätze in den Sprachen schlummern, die sich mit lateinischen Zeichen nicht ausdrücken lassen.

Photo by Anders Nord on Unsplash

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Unkraut

Unkraut verdirbt nicht. Heute stehe ich am Rande meines Gartens und überzeuge mich selbst davon. Ich sehe die Gräser, die zwischen den Steinplatten emporwuchern, und die ich letzthin noch mit Unkrautvertilger hatte besprühen wollen. Vor mir liegt der samtweiche aber unregelmässig gemähte Rasen, denn die Klinge des Rasenmähers ist auf einer Seite stumpf geworden. Im Wintergarten wartet ein Korb mit zusammengelegter Wäsche auf mich.

Wo ich mich umschaue, sehe ich, was ich noch tun könnte, um alles um mich herum schöner und besser zu machen. Im Haus drin fällt mein Blick auf die weisse Wand, an der sich die Kleine in einem unbeobachteten Moment kreativ mit Farbe ausgetobt hat. Sehe den Schuhsalat in der Garderobe, den Bücherstapel, den die Kinder immer wieder von Neuem durchlesen und der schon ganz schief auf der Sofalehne hängt.

Zu Hause wurden wir in Fragen des Haushalts mit finnischer Hand erzogen. Es ist nicht so, dass wir in einem heillosen Chaos grossgeworden wären, aber das gute alte Schweizer-Hausfrauen-Gen fliesst nicht durch unsere Venen.

Als Teenager begann ich, das Chaos anzubeten. Es war mir herzlich egal, was wo zu liegen kam, und eine schwarze Ader tief in mir drin freute sich diebisch, wenn ein Besucher sichtlich die Fassung verlor, über der Frage, wie man in einer solchen Räuberhöhle hausen kann.

Damals rebellierte ich so gegen eine Welt, in der ich ansonsten immer versuchte, auf fromme Art und Weise Gott und die Menschen zu beeindrucken. Mein persönlicher Lebensraum war der Ort, in dem ich endlich alles fallen lassen konnte. Meine Unordnung wurde in unserer Familie sogar sprichwörtlich.

Natürlich will niemand auf ewig in einer Räuberhöhle leben. Doch ich war planlos, wie ich etwas daran ändern konnte. Der geseufzte Wunsch einer Kollegin von mir: „Lydia, ich wünsche dir, dass du mal einen Mann kriegst, der Ordnung hält!“, wurde mein heimliches Gebet, was ich aber nicht mal vor mir selbst zugegeben hätte.

Der Mann tauchte auf und – oh Wunder! – er hatte einen grösseren Sinn für Ordnung als ich. Es war vorprogrammiert, dass in unserer Ehe erst mal die Fetzen flogen. Tränen flossen und unschöne Worte wechselten den Besitzer, bevor ich zugeben konnte, dass ich mir ein belehrbares Herz bewahren wollte. Und mein Mann hatte tatsächlich einen Haufen äusserst hilfreiche Tipps für meine scheinbar unheilbare Lebensweise in petto.

Und – zweites Wunder! – ich war in der Lage zu lernen. Heute kann ich in einer normalen Woche meinen Zimmerboden soweit aufräumen, dass man mit dem Staubsauger durchfahren kann. Auch im Wohnzimmer kommt die Maschine regelmässig zum Einsatz. Ich ertappe mich gelegentlich dabei, dass ich mich an einer blankgeputzten Tischplatte erfreue. So richtig. Mit tief empfundenen Glücksgefühlen und so.

Manchmal aber laufe ich durchs Dorf und beobachte die Frauen, die in und ums Haus herum arbeiten. Mit der Nagelschere frisieren sie ihren englischen Rasen, mit dem Wischmopp bohnern sie einen bereits blitzblanken Eingang und in fieberhafter Wut, polieren sie Fensterscheiben.

Fünf Minuten falle ich dann in die die zwei Todsünden – das Vergleichen und den Neid – zurück und bedaure: „So weit werde ich nie sein.“

Und nach den Momenten der Unzulänglichkeit, spüre ich tief in meinem Herzen, dass ich es mag – das Unperfekte. Ich mag den gelben Löwenzahn, der zwischen den Steinplatten emporwächst. Ich liebe es, wenn meine Kinder die Walderdbeeren pflücken, die überall sind, wo sie nicht sein sollten. Ich liebe schräge Linien, und Kleider, die nicht zusammenpassen. Ich mag Bücherstapel und Schuhsalate und kunterbunte Wäschekörbe.

Ich fühle mich sehr wohl in dem Niemandsland zwischen Saustall und Paradiesgarten. Da lässt es sich nämlich wunderbar leben.

Photo by Teemu Paananen on Unsplash

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Die Welle bricht

Ein fernes Donnern drang an mein Ohr, als ich im tropischen Wald auf Maui vorwärtsstapfte und durch die letzten Büsche brach. Der Strand ergoss sich zu meinen Füssen. Mannshohe türkisfarbene Wogen bäumten sich vor mir auf und krachten auf die Schelfkante der Inselkette Hawaii. Sie schäumten auf den Sand, kräuselten sich spielerisch um meine Zehen. Reizten, lockten mich.

Das Meer rief. Ich schnappte mir ein Boogie-Board und antwortete.

Zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich die Naturgewalt Wasser in diesem Ausmass am eigenen Körper zu spüren. Nach der besten Welle hielt ich Ausschau, paddelte wie eine Verrückte mit ihr im Einklang und zelebrierte das Hochgefühl, als mich die Wassermengen mit sich rissen in bisher unbekannte Höhen. Ein Jauchzen entrang sich meiner Kehle.

Dann brach der Wellenkamm, saugte mich hinein, schleuderte, wirbelte mich herum, bis ich die Orientierung verlor, drückte, zog und zerrte an mir und warf mich dann mit voller Wucht auf den Sandstrand. Ich blieb für eine Sekunde liegen, krabbelte wie eine Wilde auf der Flucht vor der nächsten herandonnernden Welle davon. Ich atmete auf, als ich ihr entkam und nur ihre Ausläufer um meine Knöchel tanzten, säuselten und schäumten.

Lachend fischte ich nach dem Boogie Board und rannte zurück ins Meer. Ein Rausch ergriff mich. Immer wieder stürzte ich mich ins Meer, bis ich Stunden später erschöpft mit sicherem Abstand vor den Wellen in den trockenen Sand sank. Es fühlte sich an, als hätte ich Muskeln gezerrt, einige Knochen gestaucht und viel Hautfläche abgeschürft. Drei Tage später hustete ich noch Sand ab, aber das Erlebnis hatte sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt.

In den letzten sechs Jahren schien mir das Leben wie der donnernde Pazifik. Im Januar 2014 wurde ich Mutter, im Mai 2014 dreissig und im November 2014 publizierte Autorin. Was für ein Wellenkamm!

Dann ging es Schlag auf Schlag. Ein Buch, ein Kind, ein Buch, ein Kind, ein Buch. Mein Leben war plötzlich ein Wirbel aus Salzwasser und Sand. Ich schwamm oben auf, bei kreativen Energieräuschen und herzerwärmenden Fortschritten der Kinder. Ich verlor die Orientierung in chronischem Zeitmangel und ungezählten schlaflosen Nächten. Wurde von bisher unbekannten Naturgewalten hin und her und rundherum gezerrt, gedrückt, gezogen und gestaucht. Es gab Monate, die sind heute in meiner Erinnerung bloss ein Gischtnebel.

Mütter fragten mich: „Wie schaffst du es, neben dem Muttersein noch zu schreiben?“ Autorinnen fragten mich: „Wie schaffst du es, neben dem Schreiben Mutter zu sein?“
„Ich weiss es nicht!“, habe ich gesagt.

Ich weiss es auch heute noch nicht. Vielleicht war es ein Wunder. Ein Wahnsinns-Wunder. Vielleicht war es auch nur Wahnsinn.

In der Waschmaschine des Lebens war ich gefangen, bis mich das Ende des letzten Buchs meiner Trilogie, „die Heldendämmerung“, auf den Strand der Erschöpfung warf.

Da lag ich im Sand, während ich zuschaute wie das Meer das Boogie-Board meiner Kreativität mit sich fortzog.

Ich wollte mich aufraffen, das Board wieder packen, und mich zum nächsten Wellenritt aufmachen. Aber ich konnte meine geschundenen Knochen kaum rühren.

Aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen Monate. Das Meer umtänzelte mich, wollte mich wieder mit sich ziehen. Doch ich wandte mein Gesicht ab und dachte: „Sei doch still! Ich kann nicht meer.“ Eines Tages fand ich die Kraft vom tobenden Ozean wegzukriechen, ein lauschiges Schattenplätzchen im Wald zu suchen. Nur noch dem Donnern lauschte ich und hustete kräftig Sand ab.

Und schliesslich taten die Gezeiten das Ihre dazu. Der Lockruf des Meeres erreichte wieder mein Herz und nicht nur mein Ohr. Langsam griff ich nach meinem Boogie-Board und setzte einen Fuss vor den anderen, bis ich wusste: Mein Wunsch zu schreiben ist stärker als die Erschöpfung.

Ich weiss nicht, wo du jetzt gerade stehst im Leben. Reitest du auf einem Wellenkamm und alles fällt dir zu? GENIESSE ES!

Wirbelt dich die Welle des Lebens so richtig durcheinander und weisst du nicht, wo oben und wo unten ist? HALTE DURCH! Hilfe ist unterwegs! Du wirst nicht ertrinken.

Fühlst du dich, als hätte dich das Meer des Lebens so richtig auf den Strand der Erschöpfung gekotzt? Komme zur Ruhe, huste Sand ab und wenn die Kraft wieder zurückkehrt: STEH AUF, pack dein Boogie Board und setze einfach einen Schritt vor den anderen! Das Abenteuer des Lebens wartet auf dich!

Das Foto entstand im Juni 2015 am Big Beach, Maui, Hawaii.

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Klatschweib

Eine Wortstudie

Wo zwei oder drei Menschen, vornehmlich weiblichen Geschlechts, beisammen sind, da ist es mitten unter ihnen. Das Klatschen.

Mit diesem Klatschen ist nicht die Bedeutung gemäss Duden Definition 2 a) gemeint, wo steht: die Innenflächen der Hände [wiederholt] gegeneinanderschlagen, sondern die Definition 4 a): in geschwätziger Weise [über nicht Anwesende] reden.

Wie oft habe ich selbst in der Nicht-Anwesenheit einer Person meine Sätze folgendermassen angefangen: „Hast du gesehen, wie der … ?“ oder „Kannst du glauben, dass die … ? Imfall!“
Wie vertraut bin ich mit meinem klatschenden Ich und möchte ihm ab und zu gerne eine klatschen  gemäss Definition 3 a): mit der flachen Hand klatschend schlagen.

Mein inneres Klatschweib wird nämlich in der Regel von drei Motoren angetrieben:

  1. Unzufriedenheit: „Andere jetten rund um die Welt und schwimmen im Roten Meer, während ich knietief durch die Spielsachen im Wohnzimmer wate.“
    Oder: „Berufskolleginnen hauen pro Jahr ein Buch raus und ich kann mir während Monaten kaum einen vernünftigen Satz aus dem Ärmel leiern.“
  2. Langeweile und die Sensationsgeilheit, die daraus resultiert: Aus Zwecken der Unterhaltung hechele ich mit anderen den gesamten gemeinsamen Bekanntenkreis durch. Frau möchte ja informiert sein!
  3. Minderwertigkeitskomplexe: Es gibt Tage, da schreit die Liste meiner Unfähigkeit als Hausfrau und Mutter nicht nur zum Himmel, sondern sie reicht auch bis dahin.
    „Schnell! Reden wir doch darüber, was alle anderen falsch machen, dann fühle ich mich besser.“ Für eine Sekunde oder so.

Wenn ich glaube, das klatschende Biest endlich weggesperrt zu haben, gerate ich gewiss in ein Kuddelmuddel unzufriedener Frauen. Und wie so oft gehen mir erst die Augen bzw. die Ohren auf, wenn ich es von anderen höre.

Meine Seele übergibt sich dann ein kleines bisschen und ich möchte die Faust auf den Tisch klatschen  gemäss Definition 1 a): ein [helles] schallendes Geräusch durch das Aufschlagen von etwas [weichem] Schwerem auf etwas Hartes von sich geben.

Ach, hätte ich doch dann den Mut, in die Runde zu schreien: „Mädels! Echt jetzt? Haben wir es nötig? Wenn ich uns anschaue, sind wir, jede auf unsere eigene Art wunderschön, haben tolle Charakterstärken und einzigartige Fähigkeiten.“

Und ich möchte mit Schwung die Liste ausrollen, die ich mir selbst immer lese:

  • Fokussiere deine Kreativität auf deine eigenen Stärken! Wenn dir keine einfällt, frag eine Person, die dir nahe steht, oder gehe zum Coach.
    (Der Motor der Unzufriedenheit fällt aus.)
  • Worin bist du bereits gut? Setze alles daran, darin hervorragend zu werden! Vertiefe diese Fähigkeiten und verfeinere sie! Plötzlich hast du keine Zeit mehr, wie ein Geier auf das Leben anderer zu starren und jede Bewegung zu beurteilen.
    (Der Motor der Langeweile verabschiedet sich.)
  • Lebe deine Begabung nach deiner Kraft an deinem Platz aus, und vergleiche dich nicht mit Madame XY und Mister Der-Sowieso-Alles-Besser-Kann!
    (Der Motor der Minderwertigkeitskomplexe sagt Ade.)

Anstatt Schlechtes zu reden, möchte ich lieber ein Klatschweib nach der Definition 2 c) sein: Durch Klatschen seine Zustimmung, Begeisterung ausdrücken; applaudieren.

Ich applaudiere an dieser Stelle bewusst für andere Frauen: meine Mutter, meine Töchter, meine Schwestern, meine Freundinnen, Arbeitskolleginnen, Nachbarinnen und verneige mich vor ihren Fähigkeiten.

So klatsche ich nämlich am liebsten. Und wie klatschst du?



„Die Menschen haben es gelernt, wilde Tiere, Vögel, Schlangen und Fische zu zähmen und unter ihre Gewalt zu bringen. Aber seine Zunge kann kein Mensch zähmen. Ungebändigt verbreitet sie ihr tödliches Gift. Mit unserer Zunge loben wir Gott, unseren Herrn und Vater, und mit derselben Zunge verfluchen wir unsere Mitmenschen, die doch nach Gottes Ebenbild geschaffen sind. Segen und Fluch kommen aus ein und demselben Mund. Aber genau das darf nicht sein! Fliesst denn aus einer Quelle gleichzeitig frisches und ungeniessbares Wasser?“

Die Bibel in Jakobus 3, 7-10

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Die Vogelbeerdigung

Photo by Zoya Loonohod on Unsplash
English Version below

Heute will ich gemeinsam mit den Kindern den Hamsterkäfig reinigen. Nachdem wir alles ausgebreitet haben, entdecken wir neben der Fensterscheibe eine kleine Kohlmeise, die mit gebrochenem Genick mausetot im Gras liegt.

Meine fast Sechsjährige ist am Boden zerstört. Sie steht zehn Minuten am Fenster und heult: „Vögeli… Vögeli… Vögeli…“ und lässt sich durch nichts beruhigen.

Inspiriert von einem Buch, das ich kürzlich gelesen habe (wohlgemerkt: es war ein Roman und kein Ratgeber), lesen wir den Vogel vorsichtig auf, pilgern an den zahlreichen Haufen vorbei, die die Nachbarskatzen hinterlassen haben, und betten den Vogel im Kompost zur letzten Ruhe. Den gebrochenen Körper umrahmen wir mit zwei Blümelein und den Vogelzeichnungen, die die Kinder extra anfertigen.

Wir sprechen ein Gebet, sagen ein paar nette Dinge über den armen, schönen Vogel und singen inbrünstig: „Alle Vögel sind schon da“ und „So nimm denn meine Hände“. Dann rezitieren wir einen Bibelvers über Spatzen und erörtern die essenzielle Frage: „Warum müssen wir sterben?“

Anschliessend widmen sich die Kinder wieder ihrem Spiel und der Kessel ist geflickt. Ich putze den Hamster-Käfig fertig und frage mich kurz, was hier los sein wird, wenn dieses geliebte Haustier mal das Zeitliche segnet…

„Welchen Wert hat schon ein Spatz? Man kann zwei von ihnen für einen Spottpreis kaufen. Trotzdem fällt keiner tot zur Erde, ohne dass euer Vater davon weiss. Bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Darum habt keine Angst! Ihr seid Gott mehr wert als ein ganzer Spatzenschwarm.“
Matthäus 10 29-31

Today, I want to clean the hamster cage together with my kids. After we have prepared everything we spot a dead bird in the grass. It probably flew into the window and broke its neck.
My almost six-year-old stands at the window and sobs uncontrollably: “Birdie … birdie … birdie …” For about ten minutes she can’t be comforted.

Inspired by a book I read recently (it should be noted that it was a novel and not a how-to-book) we take the birdie gently into our hands, navigate ourselves along the numerous piles of neighbour cat’s poop to the compost where we prepare the animal’s last bed. We frame the broken body with two flowers. The kids draw something for the bird.

We say a prayer and some nice things about that poor little fellow and sing two wonderful songs. We recite a bible verse about sparrows and discuss an essential question: “Why do we have to die?”


After that the kids go back to play and I go back and clean the hamster cage. Wondering briefly what will happen when that beloved pet is going to depart from this life….

“Are not two sparrows sold for a penny? Yet not one of them will fall to the ground apart from the will of your Father. And even the very hairs of your head are all numbered. So don’t be afraid; you are worth more than many sparrows.”

Matthew 10, 29-31

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Achtung! Einbrecher!

Es ist 10 Uhr morgens. Die Türglocke bimmelt. Aus dem Spiel mit meinen Kindern aufgeschreckt, eile ich zur Tür und öffne sie.

Draussen steht ein junger Mann. Dicke Jacke, langer rotbrauner Pferdeschwanz, dezenter Nasenring, umwerfend sympathisches Lächeln, schwarze Mappe unterm Arm.

Was kommt jetzt?, frage ich mich. Putzmittel? Panda-Patenschaft? Perfekte Religion? Als könne er Gedanken lesen, sagt er hastig: „Ich verkaufe nichts.“

Er weist sich als Angestellter einer Sicherheitsfirma aus. Beratungen zur Einbruchsicherheit. Denn es ist ja November – sprich Einbruchzeit. Mit einem Papier wedelt er vor meiner Nase herum: Unser Quartier ist mit Rotstift als besonders einbrecherfreundlich gekennzeichnet. Kann man auch online nachschauen, sagt er, auf der Webseite des Bundesamts für Irgendwas.

Macht mich auch gleich auf zwei Dinge im Eingangsbereich aufmerksam, die auf Einbrecher einladend wirken, sollte es sie nach unserer Residenz gelüsten. „Nur 100 Franken … nicht dass sie nachher sagen, hätte ich doch nur …“ Er verstehe ja, wenn man Angst hätte, mit zwei kleinen Kindern zu Hause, da ist ja ein Sicherheitsbedürfnis da. Ob er mit mir einen Termin ausmachen könne …

Bei seinen Worten klingt eine Saite in mir an, mein Mutterinstinkt meldet sich. Wenn ich nachts erwache und meine schlafverwirrten Gedanken mit meiner dramatischen Fantasie Tango tanzen. Ein Irrer schleicht in unser Haus, beraubt mich meiner Würde, meiner Familie. So liest man es ja auch täglich in den Medien.

Erinnere mich an die Panikattacke, als ich in einer der kriminellsten Städte Afrikas umherirrte – im Dunkeln. Jung, weiblich, weiss und allein.

Die nackte Angst, als ich dreimal am Bett eines Familienangehörigen stand – in der Intensivstation, Überlebenschancen nicht garantiert.

Sammle in Gedanken wieder meine schreiende Tochter am Ende der Treppe auf, weil sie mitsamt dem Sicherheitsgitter die Kellertreppe runtersurfte und kopfüber in die Holztür donnerte.

Die Paranoia, als in der Stadt unser Nachbarhaus lichterloh brannte. Angst wohnt gleich um die Ecke.

Ich schaue dem Mann ruhig ins Gesicht, sage ihm fest: Toll, dass es eine Firma wie seine gibt. Dass seine Arbeit unglaublich wichtig ist. Dass ich versuche, wenig leichtsinnig zu sein. Und dass ich ihm viel Erfolg wünsche …

Danke, lächelt er mich umwerfend sympathisch an. Erfolg hat er. Es gibt viele, die mitmachen, sein Terminkalender überquillt. Glaube ich ihm gern. Er winkt mir zu und stiehlt sich davon.

Im Stillen entschliesse ich mich dazu, mein Bargeld ab sofort im Garten draussen zu vergraben – zwischen den beiden Komposthaufen – gut zu finden, sollte ich es brauchen. Auch das Schild „Einbrecher, bitte hier rein!“, schraube ich von der Haustür ab. Meinen Laptop lege ich ab sofort jeden Abend ins WC-Schränkchen und mein Smartphone lade ich nur noch an der Steckdose im Kühlschrank auf.

Aber eins werde ich nicht tun: Ich werde meine Knie nicht vor der Angst beugen. Niemals.

 

Was sagt eigentlich die Bibel über Angst?

„Ich kann beruhigt einschlafen und am Morgen in Sicherheit erwachen, denn der HERR beschützt mich. Ich fürchte mich nicht vor meinen Feinden, auch wenn sie mich zu Tausenden umzingeln.
HERR, von dir kommt Rettung und Hilfe.“ Psalm 3, 6-7 und 9a (HfA)

 

Photo by W A T A R I on Unsplash

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Gibt es einen Band 3? – Bittersüße Schokolade!

Immer wieder ereilt mich die Anfrage, ob ich Annas, Kephas‘ und Adonis‘ Geschichte weitererzählen werde. Und hier teile ich mich, dass Band 3…

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Warum Holländisch?

„Warum wurde dein Buch ausgerechnet auf Holländisch übersetzt?“, ist eine Frage, die ich schon oft gehört habe.

Mein erstes Buch „Die Kreuzträgerin“ heisst auf Holländisch „De Kruisdraagster“. Als ich vom Schreiben träumte, hätte ich mir niemals auszumalen gewagt, dass mein Buch von Menschen gelesen wird, deren gesprochene Sprache ich nicht verstehe.

Nun gut, ein bisschen ist sie ja schon zu verstehen, diese Sprache, die so familiär in den Ohren klingt, von der man aber, wenn man etwas genauer hinhört, den Sinn trotzdem nicht erfasst.

Ich durfte die Niederlande schon viermal besuchen. Ich hab eine einheimische Freundin dort, die ich in Kenia kennen gelernt habe und eine Schweizer Freundin, die einen Holländer geheiratet hat und nun auch in dem Land wohnt, deren höchste natürliche Erhebung 300 Metern über Meer liegt.

Sie waren immer sehr abenteuerlich, diese Reisen ins Land der Toleranz und der landschaftlichen Weite. Es ist schon zehn Jahre her, als ich mit einer Freundin am Samstagmorgen die Taschen packte, mit dem Auto los düste, eine Hardcore-Sightseeing-Tour veranstaltete und am Sonntagabend spät wieder nach Hause zurückkehrte, um am Montag wieder arbeiten zu gehen. (Und nein, ich will keine Sprüche über Benzinverschwendung hören. Diese Geschichte erzähl ich noch meinen Grosskindern. Sie bleibt unvergessen unter dem Titel: „Das Wochenende, an dem wir nach Holland düsten.“)

So apart die Sprache ist („Zwiebel“ heisst z.B. „ui“) so herzlich und offenherzig sind die Menschen. Sie sind direkt, geradeaus, ehrlich, klar, wie der Himmel über dem Meer, das sie sich mit Dämmen vom Hals halten. Wenn ich die Augen schliesse, sehe ich immer noch so weit das Auge reicht: Das Weideland, die Pappeln, die Windräder zur Stromgewinnung. Für uns Schweizer, die in engen Tälern und Bergen eingesperrt sind, entfaltet sich ein fremder und doch so wundervoller Anblick. Das Land des Wassers und des Windes. Das Land der majestätischen, königlichen Bauten und den Häusern aus dunkelbraunem Backstein.

Aber um nun die Frage zu beantworten, weshalb mein Buch auf Holländisch übersetzt wurde: Mein Verlag setzte sich dafür ein, dass ein holländischer Verlag mein Manuskript liest. Die meisten Niederländer sind der deutschen Sprache mächtig. Deshalb konnten sie es auf Deutsch prüfen und bewilligen. Was zu meiner grossen Freude geschehen ist.

„Warum übersetzen sie dein Buch denn nicht auf Englisch?“, fragt mich immer mal jemand. Ich glaube, weil meinen Träumen zuerst noch grössere Hoffnungsflügel wachsen müssen. Und weil ich noch niemals in England war.

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Fernweh

Es singt in meinem Blut das Fernweh. Die Sehnsucht von zu Hause aufzubrechen, die Tür zu schliessen, den Alltag hinter mir zu lassen und neue Gefilde zu erobern.

Es liegt schon seit Geburt in meinem Blut. Meine Eltern waren in New York und

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Neuanfänge

Neuanfang – dieses Wort verbindet man normalerweise nicht mit dem Frühherbst – dieser befremdenden Jahreszeit: Wenn sich die Natur unter einer Decke von grauem Nebel schlafen legt, wenn die Blätter an den Bäumen erblassen