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Schrott und Rechthaberei

Als wäre es nicht schon genug, dass ich selbst die Sammlerwut kultiviert habe und wir von allem zu viel haben, läuft in unserem Haushalt noch eine Mini-Me herum, für die alle Stofftiere eine Seele haben und die regelmässig durch die Küchenabfälle grast mit den Worten: „Das darfst du nicht wegschmeissen, Mami! Das kann man noch zum Basteln brauchen!“

Ich habe mir geschworen, wenn die Kleine dann mal in den Kindergarten geht, wird mein Inquisitions-Feldzug gegen all den Schrott geführt, der mich schon lange nervt. Um ein Exempel zu statuieren, kramte ich donnerstags ein Paar Turnschläppli (Gymnastikschuhe) aus dem Schuhgestell. Die mit dem grossen Loch bei der grossen Zehe. Klammheimlich stopfte ich sie im Abfallsack ganz tief nach unten ausser Sichtweite. Wir hatten ja ein neues Paar gekauft. Und das ist das Ende der Geschichte, dachte ich. Denkste…

Sonntags zieht mein Mann oft mit den Kindern los, damit ich meine Ruhe habe. Heute steht Tummelplatz auf dem Programm. Mein Nervenkostüm ist selten so angespannt, wie in den fünf Minuten, in denen die Kids die Schuhe anziehen und bis dann endlich die Tür hinter ihnen ins Schloss fällt. Und genau in dieser heiklen Phase steht plötzlich die Frage im Raum: „Mami, wo sind meine Turnschläppli?“

Das angespannte Mami-Monster sagt der Wahrheit entsprechend eiskalt: „Oh, die? Die habe ich fortgeschmissen! Du hast ja jetzt neue!“

Ein gequälter Aufschrei zerschneidet die Luft, als meine Tochter fassungslos anfängt zu kreischen: „Aber die habe ich doch so gern!!! Und was passiert jetzt mit denen, wenn du sie fortschmeisst?“

Mit monotoner Stimme erkläre ich ihr den Kreislauf der Kehrichtverbrennungsanlage, während ich entnervt die Augen verdrehe und gegen die Haustür sinke. Wenn doch nur endlich alle verschwinden würden!

Ja, Freunde, es ist die traurige Wahrheit, manchmal kann ich nicht aus meiner Haut.

Die Situation artet wenig überraschend noch weiter aus, weil die Grosse jetzt auch noch solidarisch mitheult und die Kleine lautstark verlangt zu wissen, was den mit dem schönen pinken Muster auf den Schuhen geschieht, wenn die Schuhe brennen. „Ich we-he-he-herde diese Turnschläppli nie-hie-hie vergessen!“, schluchzt sie.

Mein Mann hält das heulende Volk im Arm und wirft mir einen vorsichtigen Blick zu. Ich hadere immer noch blind mit meinem Recht, kaputte Dinge zu entsorgen.

„Sag ihr, es tut dir leid!“, formt mein Mann mit den Lippen. Und zu meiner Unfähigkeit, richtig zu reagieren, gesellt sich die Scham, dass ich tatsächlich immer noch darauf beharre, dass mein Abfall-Management wichtiger ist, als die verletzten Gefühle meiner Tochter, deren Welt noch so klein ist.

Eine Erinnerung an Klein-Lydia steigt in mir auf, wie sie ihren vertrockneten Filzstiften einen Abschiedskuss aufdrückt, bevor sie den Weg allen Abfalls geben, mit dem Versprechen, dass ihre Gedanken sie begleiten werden, obwohl sie sich in diesem Leben nicht mehr sehen werden.

Ich knie mich also vor meine Tochter hin: „Es tut mir leid, dass ich deine Schuhe fortgeschmissen habe!“, sage ich.

Und aus dem sturen Nebel der Rechthaberei wird mir plötzlich sonnenklar, dass es für mein Kind in diesem Moment nicht nur bei leeren Worten bleiben darf, sondern dass den Worten Taten folgen müssen. Ich überschlage kurz: Die Schläppli habe ich donnerstags entsorgt. Heute ist Sonntag. Abfallentsorgung kommt erst am Dienstag.

Ich eile in die Küche, hole eine Schere und frage meinen Mann: „Wie gut stehen die Chancen, dass du unseren Abfallsack im Container unter all den anderen wiedererkennst?“

„Die Chancen stehen gut!“, antwortet er mit einem Schmunzeln um die Lippen, als ihm aufgeht, was ich vorhabe. „Aber nimm auch das Klebeband mit.“

Und so steht Familie Schwarz fünf Minuten später im Zentrum des Wohnquartiers und lokalisiert den richtigen Abfallsack unter all den anderen, die sich seither dazu gesellt haben. Mit spitzen Fingern klaube ich ihn heraus. Ein ganzes Madenvolk lebt darauf. Der Gestank ist bestialisch.

Mein Mann gibt mir Anweisungen, wo ich schneiden muss, denn er hat der Sparsamkeit halber zwei Abfallsäcke so dicht zusammengepresst, dass kein Fingerbreit dazwischen geht. Ich führe die Schere mit der Präzision eines Skalpells das eine Eiterbeule aufsticht. Der Würgereiz reisst an meiner Kehle.

Das Desaster wird plötzlich zu einem Abenteuer. Die Tränen der Kinder verwandeln sich in Ekelgeschrei und schliesslich in Freudenrufe, als die unsäglichen Turnschläppli endlich wieder das Tageslicht erblicken.

Ich klebe den Abfallsack wieder fachmännisch zu und befördere ihn verächtlich dahin, wo er hergekommen ist. Die Kinder tragen die Turnschläppli bis zur Waschmaschine. Der Zwischenraum ist gefüllt mit Tränentrocknen, Lachen, Umarmungen und Entschuldigungen.

„Bist du jetzt zufrieden?“, raune ich meinem Mann zu. Und er nickt und lächelt fein.

Mir wird die Weisheit meiner Mutter bewusst, als sie mir eines Tages ironisch sagte: „Die Frage bleibt offen, wer bei der Kindererziehung die wichtigsten Lektionen lernt.“

Klar ist auch, dass niemand von uns diese Turnschläppli so schnell wieder vergessen wird.

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Unzufrieden?

Na? Heute schon unzufrieden gewesen? Ich schon! Und zwar mit meinen Kindern. Weil diese wiederum unzufrieden waren mit dem Essen, das ich ihnen aufgetischt habe.

Jaja, ich weiss ja, dass man die Kinder nicht zum Essen zwingen soll und dass ihre Geschmacksknospen sich erst mit der Zeit vollends entwickeln und blablabla …

Aber heute ist mir echt der Kragen geplatzt. Ich bin nicht Köchin aus Leidenschaft. Ich stelle das Essen auf den Tisch, weil jemand es tun muss und weil die Kinder sich halbwegs gesund ernähren sollten et cetera.

Und ja, ich zermartere mir pausenlos das Gehirn, von dem Moment an, wenn ich das Essen aus dem Einkaufsregal nehme und in den übervollen Einkaufswagen stopfe, bis zu dem Zeitpunkt, wenn ich vor dem geöffneten überbordenden Kühlschrank stehe und mir den Haarboden wundkratze, weil ich etwas Fantasievolles zaubern möchte, mir aber beim besten Willen nix einfällt, das ich in den letzten zwei Wochen nicht schon zigmal gekocht habe.

Heute ist Sonntag. Der Sonntag, an dem andere die Füsse hochlegen, aber Mutter trotzdem das Essen auf den Tisch stellen muss. Ich habe nicht mal eine schlechte Idee: Gefüllte Paprika mit Hackfleisch, das an anderen Tagen auch schon von allen klaglos gegessen wurde. Ich habe während des Kochprozesses Freude an meinem neuen Backofen, der jetzt endlich hält, was er verspricht. Ich stelle das Backblech auf den Tisch – und dann geht’s los:

„Was ist das? … So wenig Auswahl? … Ich habe die Zwiebeln nicht gern … Es ist zu heiss … Ich habe das Hackfleisch nicht gern … “ Und dann schlürfen sie schon mal gemächlich ihr Sirüpchen, als würde plötzlich wie durch ein Wunder etwas anderes auf ihren Tellern erscheinen, wenn sie nur noch genug lange warten.

Der Gipfel ist erreicht, als meine Dreijährige eine Paprika vom Teller nimmt, sie schüttelt und das Hackfleisch uns allen um die Ohren fliegt.

Wut dreht eine brennende Spirale meine Speiseröhre hoch und äussert sich dummerweise in Tränen. Die Stimmung kippt schlagartig auf Alarmstufe Rot. Wie immer, wenn Mami weint. (Ach, die liebe Dünnhäutigkeit … Was gäbe ich in einem solchen Moment um ein Pokerface!)

„Warum weinst du?“, piepst eine der zwei Delinquentinnen ganz vorsichtig.

„Weil ich wütend bin“, antworte ich ehrlich.

„Auf wen?“

„Auf euch!“

Und das lasse ich einfach mal eiskalt so im Raum stehen.

Papi erläutert dann der betroffenen Nachkommenschaft meine schroffen Worte, erklärt geduldig und leistet Schadensbegrenzung.

Wie dankbar bin ich um seinen kühlen Kopf. Denn in der Wuthitze brauche ich meine restliche Selbstbeherrschung, um nicht den vollen Porzellanteller an die weisse Wand zu deppern. Ich habe keine Luft für vernünftige Erklärungen.

Nach kurzer Zeit merke ich, dass ich eigentlich nicht wirklich auf die Kinder wütend bin. Denn sie spiegeln ja nur das wieder, was ihnen vorgelebt wird. Von uns. Als Eltern. Als Gesellschaft.

Ich bin auch nicht so sehr verletzt, weil die Arbeit meiner Hände einmal mehr nicht gewürdigt wird. (Undankbarkeit ist nicht schön, aber irgendwie Teil des Jobs.)

Aber ich bin wütend auf das grosse Ganze. Auf uns Schweizerinnen und Schweizer, weil wir so unverschämt reich sind. Wir sitzen in einem Füllhorn von Nettigkeiten und drehen trotzdem durch wegen der Aussicht, dass ein Lieferengpass für eine von 45 möglichen Müesli-Sorten bestehen könnte.

Ich bin wütend, weil ausserhalb unserer Seifenblase, Menschen buchstäblich an Armut und Hunger verrecken und wir so erfolgreich darin sind, diese Tatsachen zu verdrängen.

Wir sorgen uns um unser eigenes kleines Leben und unser kleines Gärtchen mit dem Zaun drum herum. Dabei muss in der Notsituation unser Ueli nur wieder mal sein Staatskässeli schütteln, dann fallen wieder ein paar Milliärdchen mehr raus – und gut is‘.

Und während ich nach Worten ringe, wie ich den Kindern erklären soll, was in mir vorgeht, nehme ich sie auf den Schoss und erzähle ihnen die Geschichte vom kenianischen Mädchen, nennen wir sie Ndanu.

Ndanu war etwa vier Jahre alt, als ich sie kennenlernte. Sie kam jeden Morgen einen weiten Weg zu dem Kindergarten, in dem ich damals aushalf.

Die Kindergärtnerin überliess morgens Ndanu und ihre Kameraden etwa eine Viertelstunde meiner alleinigen Obhut, um in ihrer Küche einen unansehnlichen Brei zu kochen, den sie den Kindern zum Znüni in farbigen Bechern servierte. Ich probierte einmal eine Messerspitze voll. Es war eine lauwarme geschmacklose Pampe von hellbrauner Kotz-Konsistenz.

Niemals vergesse ich Ndanus Gesicht, die einen Schluck von der Sosse nahm, und mich dann mit einem Mäusezähnchen-Lächeln anstrahlte. Es schmeckte ihr, das war offensichtlich.

„Es ist für viele die einzige warme Mahlzeit am Tag“, informierte mich die Kindergärtnerin.

Der Kontrast dieser strahlenden Augen wegen einer erbärmlichen Mahlzeit, zu dem unzufriedenen Gemecker meiner Kinder in Anbetracht einer üppigen Mahlzeit könnte nicht grösser sein – und ist wie ein Schlag in die Magengrube.

Wie kann ich meinen Kindern beibringen, dass wir eigentlich in einer Fake-Welt leben? Dass wir zu einer minimalen Oberschicht gehören, die in Saus und Braus lebt und doch niemals genug hat? Das unsere Kaninchen besser essen, als viele Kinder in anderen Teilen dieser Welt. Wie kann ich sie sensibilisieren, ohne ihnen unnötige Schuldgefühle einzuimpfen? Denn niemand von uns kann etwas dafür, dass wir so privilegiert geboren sind.

Hilflos überlege ich, was ich denn überhaupt in meiner bevorzugten Stellung machen kann, um Armut und Hunger zu lindern.

Soll ich Geld spenden? Nützt es, wenn ich (nach der Corona-Pandemie) Leute in armen Ländern besuche?

Gibt es überhaupt noch Hilfsorganisationen, die nicht korrumpiert sind? Gibt es noch Menschen und Firmen, die uneigennützig ohne Rücksicht auf ihre eigene Gesundheit und ihren Wohlstand anderen Menschen helfen?

Wenn ich mich selbst anschaue, wenn ich einen Blick in die Welt mache, zweifle ich stark daran und finde heute keine Antwort darauf. Was bleibt ist die Wut – und die Unzufriedenheit.

Photo by James Fitzgerald on Unsplash

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Hasenfuss oder Löwenherz?

Heute Morgen gibt es erstmal kein Frühstück sondern einen Schock: Eines unserer jungen Kaninchen liegt tot im Käfig.

Ich gebe zu, ich habe soeben mehr als nur eine Träne vergossen.

Was? Ich? – Die ich haustierlos aufgewachsen bin und Tierhaltung immer als etwas eher Überflüssiges empfunden habe?

Ja, ich weine, weil mir einerseits das arme flauschige Fellknäuel so furchtbar leidtut. Andererseits, weil ich es meiner sechsjährigen Tochter – einer erklärten Tiernärrin –  noch beibringen muss. Auf Vorschuss leide ich schon mit, weil ich weiss, wie schwer es sie treffen wird. Wenigstens bin ich dankbar, dass ich das Häschen gefunden habe und nicht sie.

Und natürlich zermartere ich mir das Hirn, was ich falsch gemacht habe und mache mir Vorwürfe.

Äusserlich hat das Tierchen keine Verletzungen vorzuweisen und auch sonst trifft keines von möglichen Ursachen zu. Die Diskussion mit dem Züchter ergibt, dass ein Kaninchen eine Herzattacke erleiden kann, wenn es wegen einem anderen Tier erschreckt. Einem Raubtier zum Beispiel.

Und da fällt mir ein, dass ich gestern Nacht mit Herzrasen erwacht bin und gedacht habe, etwas hätte mich geweckt, das ich aber nicht zuordnen konnte. Der stürmische Herbstwind tobt indes schon seit gestern ums Haus und verursacht allerhand Geräusche an sämtlichen Gegenständen, die nicht niet- und nagelfest sind. Deshalb bin ich wieder schlafen gegangen.

Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass ein Fuchs aus dem nahen Wald eine makabre Form vom Schweizer Kinderreim: „Lueget ned ume, de Fuchs goht ume …“ gespielt hat. Und dass das Kaninchen an seiner Angst verendet ist. Das arme Wesen! Ich muss wieder weinen.

Und da fällt mir ein, dass wir Menschen uns oft wie ein Häschen in Todesangst benehmen.

Der Fuchs, in diesem Fall ein Sinnbild für die Angst, schleicht in diesen Tagen viel listiger und gemeiner um unsere Hütten als auch schon.

Vielleicht sitzen wir in der Ecke und zittern, weil wir denken: „Der kriegt uns! Jetzt sind wir dran!“

Das Kaninchen wusste nicht, dass der Fuchs nicht in den Stall rein kann, weil wir ihn gewissenhaft fuchssicher eingerichtet haben.

Auch für uns Menschen mag eine Bedrohung real sein, aber unsere Luxus – Käfige sind in der Regel fuchssicher.

Trotzdem hüpfen wir herum und quieken und ängstigen uns zu Tode. Äusserlich sieht man es uns vielleicht nicht an, aber innerlich sind wir bereits vor Angst erstarrt.

Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass die Angst in diesem Jahr Hochkonjunktur hat. Aufgepeitscht von Meinungen und Tatsachen, Fakten und Fiktion.

Und so dreht der „Angst-Fuchs“ munter noch eine Runde um unseren Stall. Jagt uns hin und her und rauf und runter, drängt uns in die Ecke, raubt uns die Lebensfreude.

Wie gerne wäre ich gestern Nacht rechtzeitig aufgestanden, hätte den Fuchs vertrieben und dem Häschen zugerufen: „Der kann dir nichts!“

Aber ich habe geschlafen.

Gott schläft nicht! Er weiss das der Angst-Fuchs um deinen Stall herumschleicht, und er ruft dir zu: „Der kann dir nichts!“

In der Bibel steht, dass Gott uns kein Hasenherz gegeben hat, sondern ein Löwenherz. (Zum Zweck der Geschichte aus 2.Timotheus 1,7 angepasst.)

Und was tut ein Löwe, wenn der Fuchs, um seinen Stall schleicht? Er bleckt die Zähne und brüllt den Fuchs an. Und der muss abhauen.

Lasst uns also keine Hasenfüsse sein, sondern Löwinnen und Löwen, die der Angst ins Gesicht brüllen. Sie wird fliehen müssen!

Photo by Keyur Nandaniya on Unsplash

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Dinosaurier und Magengeschwüre

„Bastelt mit euren Kindern!“, sagen sie. „Es fördert die Sozialkompetenz“, sagen sie.

Bastelkurs, Bastelmaterial, Bastel-Blog … es wimmelt nur so von Bastel-Ratschlägen. Bei Müttern zirkulieren sie im Allgemeinen sehr häufig, jetzt zu Corona-Zeiten besonders oft. Vom Kindergarten bekamen wir sogar ein wunderbares Heft namens „Bastel-Zauber“.

Seit jeher löst das Wort „Basteln“ bei mir einen leichten Würgereiz aus. Egal wie zauberhaft es mir präsentiert wird.

Heute, Sonntag, dachte ich mir, gebe ich dem Druck meiner missgelaunten Sechsjährigen nach: „Mami, wann basteln wir endlich etwas aus dem Kindergarten-Buch?“

Ich folge selbst meinem Rat, den ich meinen Kindern im Leben mitgeben möchte: „Springe über deinen Schatten! Geh an deine Grenzen! Versuch’s nochmal! Wenn man will, kann man (fast) alles lernen.“

Also schlagen wir das gefürchtete Ding auf und lesen: „Kugelbahn!“

„Okay!“, rede ich mir selbst gut zu. „Das ist das kleinste Übel aller Scheusslichkeiten, die ich hier sehe. Du schaffst das!“

Schnell sind alle Klopapierrollen aus den Tiefen des Kellers gegraben und das Malerabdeckband organisiert.

Und das Drama nimmt seinen Lauf: Ich zwinge meine steifen Fingergelenke dazu, den ganzen Müll zusammenzukleistern und regelmässig zerfällt alles wieder in seine Einzelteile, wenn ich gerade denke: „So, jetzt hab ich’s!“

Wie ein aussterbender Dinosaurier brülle ich durchs Wohnzimmer: „Afterlife! Aaaafterlife!!!“ (damit ich mir von meiner Tochter nicht sagen lassen muss: „A***loch, sagt man eigentlich nicht, Mami!“)

Sie sitzt mit einem skeptischen Sicherheitsabstand neben mir, hilft ein bisschen, wenn ich zwischen meinen Zähnen hindurchknurre: „Halt das mal!“ und sagt schliesslich lakonisch: „Deine Schwester hat aber mehr Geduld als du.“

Ich belle, pädagogisch nicht sehr wertvoll, zurück: „Ja, und genau darum bastelt sie auch, und ich nicht!“

Und jetzt sitze ich, als unterzuckertes Häufchen Elend in der Ecke und betrauere mein pulverisiertes Nervenkostüm, das ich eigentlich noch für den Rest des Tages gebraucht hätte und das ich jetzt so leichtfertig für das hässliche Geschwür an der Wand verbraten habe, welches den morgigen Tag eh nicht erleben wird. Und in meiner Schulter sitzt ein hartnäckiger Stress-Knoten.

Einmal mehr beschliesse ich: Zehnmal lieber, lehre ich meine Kinder sämtliche Flaggen und Hauptstädte der Welt, bringe ihnen bei auf Französisch, Englisch, Finnisch und Suaheli zu zählen und lese ihnen Geschichten vor, bis die Sonne untergeht, als mich noch einmal durch solch eine Tortur zu schleifen. Schuster, bleib bei deinen Leisten!

Liebe Bastel-Freundinnen, ihr seid meine neuen Super-Heldinnen! Aber eins soll euch geflüstert sein: Die Welt ist ein besserer Ort, wenn Lydia Schwarz NICHT bastelt!

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Die Vogelbeerdigung

Photo by Zoya Loonohod on Unsplash
English Version below

Heute will ich gemeinsam mit den Kindern den Hamsterkäfig reinigen. Nachdem wir alles ausgebreitet haben, entdecken wir neben der Fensterscheibe eine kleine Kohlmeise, die mit gebrochenem Genick mausetot im Gras liegt.

Meine fast Sechsjährige ist am Boden zerstört. Sie steht zehn Minuten am Fenster und heult: „Vögeli… Vögeli… Vögeli…“ und lässt sich durch nichts beruhigen.

Inspiriert von einem Buch, das ich kürzlich gelesen habe (wohlgemerkt: es war ein Roman und kein Ratgeber), lesen wir den Vogel vorsichtig auf, pilgern an den zahlreichen Haufen vorbei, die die Nachbarskatzen hinterlassen haben, und betten den Vogel im Kompost zur letzten Ruhe. Den gebrochenen Körper umrahmen wir mit zwei Blümelein und den Vogelzeichnungen, die die Kinder extra anfertigen.

Wir sprechen ein Gebet, sagen ein paar nette Dinge über den armen, schönen Vogel und singen inbrünstig: „Alle Vögel sind schon da“ und „So nimm denn meine Hände“. Dann rezitieren wir einen Bibelvers über Spatzen und erörtern die essenzielle Frage: „Warum müssen wir sterben?“

Anschliessend widmen sich die Kinder wieder ihrem Spiel und der Kessel ist geflickt. Ich putze den Hamster-Käfig fertig und frage mich kurz, was hier los sein wird, wenn dieses geliebte Haustier mal das Zeitliche segnet…

„Welchen Wert hat schon ein Spatz? Man kann zwei von ihnen für einen Spottpreis kaufen. Trotzdem fällt keiner tot zur Erde, ohne dass euer Vater davon weiss. Bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Darum habt keine Angst! Ihr seid Gott mehr wert als ein ganzer Spatzenschwarm.“
Matthäus 10 29-31

Today, I want to clean the hamster cage together with my kids. After we have prepared everything we spot a dead bird in the grass. It probably flew into the window and broke its neck.
My almost six-year-old stands at the window and sobs uncontrollably: “Birdie … birdie … birdie …” For about ten minutes she can’t be comforted.

Inspired by a book I read recently (it should be noted that it was a novel and not a how-to-book) we take the birdie gently into our hands, navigate ourselves along the numerous piles of neighbour cat’s poop to the compost where we prepare the animal’s last bed. We frame the broken body with two flowers. The kids draw something for the bird.

We say a prayer and some nice things about that poor little fellow and sing two wonderful songs. We recite a bible verse about sparrows and discuss an essential question: “Why do we have to die?”


After that the kids go back to play and I go back and clean the hamster cage. Wondering briefly what will happen when that beloved pet is going to depart from this life….

“Are not two sparrows sold for a penny? Yet not one of them will fall to the ground apart from the will of your Father. And even the very hairs of your head are all numbered. So don’t be afraid; you are worth more than many sparrows.”

Matthew 10, 29-31